Gebauer rät angehenden Erzieherinnen zu Hartz IV

Ostwestfalen-Lippe. Da bleibt einem die Spucke weg: Weil das Land mit der Beantragung der Bafög-Anträge nicht hinterherkommt, müssen angehende Erzieherinnen und Erzieher derzeit monatelang auf das ihnen zustehende Geld warten. „Doch anstatt die BAfög-Bewilligung zu beschleunigen, hat die Landesregierung für die Betroffenen einen anderen Tipp: Sie sollen Hartz IV beantragen. Ich bin fassungslos“, sagt sich der SPD-Landtagsabgeordnete Dennis Maelzer.

Das Ganze geht aus einer Kleinen Anfrage hervor, die der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion an die Landesregierung gestellt hatte. „Das Ergebnis ist erschütternd“, sagt Maelzer. Durchschnittlich ein knappes halbes Jahr braucht das Land, um das Geld zu bewilligen. „Meine SPD-Kollegin Nora Wieners hat mich auf Fälle aufmerksam gemacht, in denen es sieben und mehr Monate waren“, berichtet Maelzer.

Betroffen sind vor allem diejenigen, die eine schulische Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher absolvieren. Sie bekommen im Gegensatz zur Praxisintegrierten Ausbildung – kurz PiA – keine Vergütung oder Azubi-Gehalt. Stattdessen haben sie oftmals die Möglichkeit, Aufstiegs-Bafög zu beantragen. Und davon wird offensichtlich auch rege Gebrauch gemacht.

Seit Jahren steigen die Zahlen – von rund 550 Anträgen in 2017/18 auf 2.840 in 2021/22. Doch damit schnellten auch die Bearbeitungszeiten in die Höhe – von durchschnittlich 78 Tagen in 217/18 auf 128 Tage in 2021/22. „Im ersten Quartal des Jahres 2022 lag sie sogar bei durchschnittlich 161 Tagen – also über fünf oder mehr Monaten, in denen angehende Erzieher_innen ohne Geld dastehen“, erläutert Maelzer.

Als Grund nennt das NRW-Bildungsministerium von Ministerin Yvonne Gebauer (FDP), das die Kleine Anfrage Maelzers für die Landesregierung beantwortet hat, personelle Engpässe bei der Bezirksregierung Köln. Diese ist in NRW zentral für alle Anträge des sogenannten Aufstiegs-BAfögs zuständig, was den angehenden Erzieher_innen zusteht.

„Jeder kann sich glaube ich in die Situation der betroffenen Erzieher_innen in spe hineinversetzen und nachvollziehen, was es bedeutet, mehrere Monate ohne Geld dazustehen“, sagt SPD-Landtagskandidatin Nora Wieners aus Warburg, die nach einem Besuch in einem Berufskolleg Maelzer gebeten hatte, beim Land nachzuhaken. „Nun könnte man meinen, dass die Landesregierung versucht, die Bearbeitung der Anträge zu beschleunigen und dafür beispielsweise mehr Personal einstellt. Doch weit gefehlt. Stattdessen rät die Landesregierung den Betroffenen, bis zur BAfög-Bewilligung beim Jobcenter Arbeitslosengeld II (ALG II) – sprich Hartz IV – zu beantragen. Da bleibt einem die Spucke weg“, ärgert sich Maelzer. „Und natürlich muss das ALG II dann zurückgezahlt werden, sobald das BAfög bewilligt wurde. Da wiehert der Amtsschimmel im Düsseldorfer Bildungsministerium derart laut, dass es bis nach Ostwestfalen-Lippe zu hören ist“, meint Nora Wieners.

Dass sowas auch anders geht, beweist ein Blick nach Hessen. Dort ist nicht eine Bezirksregierung für das ganze Land, sondern gleich fünf Studierendenwerke mit der BAfög-Genehmigung befasst – und bringt die Bewilligungen wesentlich schneller auf den Weg als NRW.

„Es ist wichtig, dass es Unterstützungsangebote wie das Aufstiegs-BAfög gibt. Davon profitieren gerade Menschen, die während ihrer Lehre kein Gehalt bekommen – so wie die angehenden Erzieher_innen, die sich schulisch ausbilden lassen“, sagt Maelzer. Das helfe aber nicht, wenn man wie in NRW monatelang auf das Geld warten müsse und stattdessen zum Jobcenter geschickt werden. „Mit Respekt hat das nichts zu tun“, sagt Maelzer.

„Dieser Vorgang ist beispielhaft für die Überforderung dieser Landesregierung in der ganzen Bildungs- und Familienpolitik. Es wird Zeit, dass in NRW wieder eine sozial gerechte Familienpolitik gemacht wird“, fordert auch Nora Wieners.

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