Landtag erkennt Leid der Verschickungskinder an
Kreis Lippe. Sie wurden wochenlang von ihren Eltern getrennt, vielfach gedemütigt, erniedrigt und drangsaliert: Was viele „Verschickungskinder“ zwischen 1950 und bis in die 1990er Jahre in sogenannten Kindererholungsheimen erlebt haben, belastet die Betroffenen bis heute. Nun hat der NRW-Landtag in Düsseldorf einen wichtigen Schritt zur Aufarbeitung und Unterstützung ins Leben gerufen.
In einem gemeinsamen Antrag haben SPD, Grüne, FDP und CDU beschlossen, einen „Runden Tisch Verschickungskinder“ ins Leben zu rufen und damit ein bislang wenig beachtetes, dunkles Kapitel in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte zu beleuchten und zu thematisieren. „Ich bin sehr froh, dass wir gemeinsam ein geschlossenes Zeichen senden und die Opfer nun auch von staatlicher Seite aus unterstützen“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Dennis Maelzer. Der Parlamentarier aus Detmold war es, der das Leid der Verschickungskinder vor etwa 1,5 Jahren erstmals zum Thema im Landtag gemacht hatte. „Damals hatte sich eine Betroffene an mich gewandt und mir von ihren teils schlimmen Erfahrungen berichtet. Danach hatte ich begonnen, zu dem Thema zu recherchieren und war fassungslos über die Gewalt und die Erniedrigung, die es zwar nicht in allen, aber in sehr vielen Kindererholungsheimen gegeben hat“, berichtet Maelzer. Nach mehreren Diskussionen, Anhörungen und Initiativen der SPD haben sich nun vier Parteien darauf verständigt, gemeinsam die Aufarbeitung voranzutreiben.
„Millionen Menschen in Deutschland sind ehemalige Verschickungskinder. Vor allem die gemeinsame Anhörung des Familien- und des Sozialausschusses hat die Drangsalierungen und Misshandlungen an zahlreichen Kindern noch einmal bedrückend vor Augen geführt. Viele leiden bis heute daran. Mit unserem interfraktionellen Antrag erkennen wir ihr Leid an und sprechen unser Mitgefühl für das erlittene Unrecht aus“, sagt Maelzer.
Ein Großteil der ehemaligen Verschickungskinder stamme aus Nordrhein-Westfalen. Mit dem Beschluss des Landtags würden nun die Betroffenenstrukturen sichergestellt und ihre Vernetzungs- und Beratungsarbeit gefördert. „Die wissenschaftliche Aufarbeitung werden wir durch Stipendien für Master- oder Diplomarbeiten und Dissertationsprojekte vorantreiben“, sagt Maelzer.
Von großer Bedeutung sei für die vier Fraktionen auch die Einrichtung eines „Runden Tisches Verschickungskinder“. „Wir setzen auf die in der Parlamentsanhörung bekundete Bereitschaft aller Akteure, konstruktiv daran mitzuwirken. Betroffenenverbände sollen hier mit allen relevanten Akteuren gemeinsam an der Aufklärung arbeiten. Dazu zählen Landesbehörden, Landschaftsverbände, Kommunale Spitzenverbände, die beteiligten Sozialleistungsträger, Wohlfahrtsverbände und Kirchen, genauso wie Wissenschaft und Archive“, erklärt Maelzer.
Allen sei bewusst, dass man mit der Aufarbeitung erst am Anfang stehe. Durch den parteiübergreifenden Konsens und regelmäßige Berichte werde aber sichergestellt, dass die Belange der ehemaligen Verschickungskinder auch in der kommenden Legislaturperiode ernstgenommen würden. Deshalb soll der Landtag nach zwei Jahren einen ersten Zwischenbericht erhalten, der dann jährlich fortgeschrieben wird.