„Leid von Verschickungskindern endlich anerkennen“
Dunkles Kapitel mit vielen Opfern: Auf Initiative des Detmolder SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Dennis Maelzer soll die Aufarbeitung von Gewalt in Kindererholungsheimen vorangetrieben werden. Am 7./8. Oktober wird das Thema im Landtag diskutiert.
Essenszwang, Prügel, Drangsal waren an der Tagesordnung: Was sich von 1960 an bis in die 1990er Jahre hinein in zahlreichen Kindererholungsheimen der Bundesrepublik abgespielt hat, ist ein dunkles und bislang kaum aufgearbeitetes Kapitel der Geschichte. Doch das soll sich auf Initiative des SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Dennis Maelzer nun ändern. Kommende Woche ist das Leid der „Verschickungskinder“ Thema im Landtag in Düsseldorf.
Sie wurden millionenfach weggeschickt. Von heute auf morgen, im Kindesalter. Meist mehrere Wochen weg von zuhause. Zur Erholung oder Kur hieß es stets. Aber das, was viele „Verschickungskinder“ während ihres Aufenthaltes in Heimen ereilte, waren nicht selten Angst und Schrecken. Bis heute ist ungeklärt, wer für die Überwachung der sogenannten Verschickung verantwortlich gewesen wäre. Fest steht nur, dass das System seit den 1950er bis in die 1990er Jahre existierte. Viele Betroffene leiden bis heute darunter, zum Teil unter schweren Depressionen und Angstzuständen. Erst langsam beginnen sie zu verstehen, was mit ihnen passiert ist. Und sie haben begonnen, sich zu finden und sich zu artikulieren. So auch gegenüber der SPD-Fraktion im Landtag NRW.
Ins Rollen kam die Sache, nachdem sich eine Betroffene beim Detmolder SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Dennis Maelzer gemeldet und ihm von ihren Erlebnissen als „Verschickungskind“ berichtet hatte. Also begann er zu recherchieren – und war über das offenbar große Ausmaß an Gewalt und die Anzahl der Opfer entsetzt. „Das war zu erkennen, obwohl eine Aufarbeitung noch ganz am Anfang steht“, berichtet Maelzer, der daraufhin eine Kleine Anfrage an die Landesregierung stellte.
Außerdem trafen sich kürzlich Maelzer und der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Josef Neumann, mit Vertreterinnen und Vertretern einer Selbsthilfe-Gruppe zum Gespräch. „Die Erlebnisberichte haben mich abermals im Mark erschüttert“, berichtet Maelzer von der Begegnung. Ihm war sofort klar, dass das Land hier initiativ werden muss.
Inzwischen hat die SPD-Fraktion einen Antrag für das kommende Plenum formuliert, mit dem sie Landtag und Landesregierung dazu auffordert, sich ihrer Verantwortung zu stellen und die Aufklärung und Aufarbeitung des Themas voranzutreiben. „Es geht darum, das Leid der Betroffenen deutlich zu machen und endlich anzuerkennen“, sagt Maelzer.
Zu diesem Zweck solle die Landesregierung neben therapeutischen Angeboten für die Betroffenen auch den Aufbau einer Geschäftsstelle vorantreiben. „Wir wollen den Verschickungskindern dabei helfen, Zugang zu Archiven zu bekommen und eine eigene Organisationsstruktur aufzubauen“, sagt Maelzer. Dazu müsse das Land die nötigen Mittel bereitstellen.
Wichtig ist Maelzer und der SPD-Fraktion, dass ihre Initiative möglichst breite Unterstützung findet und im Konsens über die Zielsetzung diskutiert wird. Dennis Maelzer: „Das Schicksal der Betroffenen eignet sich nicht zu parteipolitischer Auseinandersetzung. Wir sind es ihnen schuldig, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen.“
Der Antrag der SPD-Fraktion wird kommende Woche im Plenum erstmals beraten. Im Sinne einer breiten Konsensfindung soll die Abstimmung erst nach einer Landtagsanhörung mit Experten und Betroffenen erfolgen.