Zusammen aufwachsen in Nordrhein-Westfalen – Starke Familien und ein gerechtes Bildungssystem für unsere Kinder und Jugendlichen

Kapitel 2.2

Haben Sie schon einmal ein Kind beobachtet, wie es lernt? So neugierig erkundet es die ganze Welt. Alles ist von Interesse, alles will verstanden werden. Genau diese Wissbegierigkeit wollen wir erhalten und fördern. Lernen in NRW soll lehrreich sein und glücklich machen.

Das Lernen ist ein lebenslanger Prozess und er verläuft bei jedem Menschen anders. Es ist wie beim „Laufen lernen“: jedes Kind hat sein eigenes Tempo und seine eigene Taktik. Einige stehen gleich wie eine eins und laufen los, andere krabbeln vor und zurück, und wiederum andere brauchen eine Hand, die sie hält, damit sie nicht hinfallen.

Genauso muss auch unser Bildungssystem funktionieren. Ein System, in dem jedem Kind die Hand gereicht wird und in dem jedes Kind die passende Begleitung zum erfolgreichen Schulabschluss findet. Dieses Ziel wollen wir mit unserer Bildungspolitik erreichen: Dass es jedes Kind schafft.

Alle Kinder verdienen, unabhängig von ihrer familiären Herkunft oder ihrer Postleitzahl, auf ihrem Bildungsweg Unterstützung dabei, ihren individuellen Weg zu finden, ob mit oder ohne Umweg. Das gilt erst recht für Menschen mit Behinderungen. Da, wo Kinder nicht fit genug sind, verdienen sie Unterstützung, um den Anschluss nicht zu verlieren. Und da, wo sie besonders fit sind, und besondere Talente haben, müssen sie gefördert werden, damit diese Talente nicht verloren gehen. Jedes Kind ist ein Individuum und jedes Kind verdient, dass wir all seine Facetten betrachten und das Bildungssystem an seinen individuellen Bedürfnissen ausrichten. Wir werden allen Kindern ein Sprungbrett für ihr Leben bauen und gleichzeitig ein Sprungtuch spannen, damit sie aufgefangen werden.

Viel in der Bildung entscheidet sich in der Familie, und deshalb wollen wir Bildung ganzheitlicher angehen. Das an Kitas erfolgreiche Konzept der Familienzentren wollen wir auch an Schulen aufbauen und ausbauen. Dort sollen alle Angebote der Familienbildung und alle Unterstützungsprogramme gebündelt werden. Das erleichtert es Eltern, den Bildungserfolg ihrer Kinder zu unterstützen.

Damit jedes Kind sein volles Potenzial entfalten kann, schaffen wir einen Anspruch auf einen Bildungslotsen ab der Geburt. Eine Person, die mit Rat und Tat zur Seite steht, um das Erreichen der eigenen Ziele zu unterstützen. Ein zufriedenes Leben für jedes Kind ist unser Maßstab. Wir werden Kommunen auch weiterhin dabei unterstützen, Kommunale Präventionsketten auf- und auszubauen und eine kommunale Gesamtstrategie mit Blick auf das Wohlergehen aller Kinder, Jugendlichen und Familien zu entwickeln. Denn hierin sehen wir eine Voraussetzung dafür, dass die verschiedenen Systeme wie Jugendhilfe, Schulen oder Soziales zusammenarbeiten und Familien frühzeitig erreichen.

Familien Zeit füreinander ermöglichen

Für uns sind Familien dort, wo Kinder sind. Wir wollen alle Familien, egal in welcher Konstellation, stärken und ihnen mehr gemeinsame Zeit geben. Gleichzeitig wollen wir Eltern ermöglichen, persönlichen beruflichen Erfolg und eine glückliche Kindheit für ihr Kind übereinzubringen.

Mit einer Familienarbeitszeit wollen wir Familien ermöglichen, Arbeitszeiten zu reduzieren und dennoch nicht auf Einkommen verzichten zu müssen.

Dabei geht es uns vor allem darum, partnerschaftliche Aufteilungen in der Betreuungs-Arbeit zu unterstützen. Viele Eltern benötigen in den Randzeiten und zu früher oder später Stunde weitere Betreuung für die Kinder. Diese soll im häuslichen Umfeld und zum Wohle des Kindes stattfinden. Modelle, wie beispielsweise die Angebote des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter in Essen zur ergänzenden Kindertagesbetreuung, zeigen, dass dadurch auch das Armutsrisiko, vor allem von Alleinerziehenden, spürbar gesenkt werden kann.

Damit Familien nach der Geburt eines Kindes ausreichend Zeit zum Kennenlernen und Zusammenwachsen haben, führen wir eine Partnerfreistellung nach der Geburt ein. Um den Papierkram in den ersten Wochen des Elternseins zu reduzieren, zum Beispiel beim Elterngeld, wollen wir Familienbüros einführen, die sich um die Antragstellung in den ersten Lebenswochen kümmern und Familien auch später bei der Beantragung von Leistungen und dem Finden passender Angebote unterstützen. Das Angebot der Familienbüros kann auch bei den neu an den Schulen geschaffenen Familienzentren angedockt sein – damit Familien mehr Zeit für ihre Bedarfe und Bedürfnisse haben.

Länder, die im Bildungsvergleich sehr erfolgreich und in der Familienpolitik sehr fortschrittlich sind, haben eines gemeinsam: Die Strategie, dass man in die kleinsten Kinder am meisten investiert. Das heißt, dass der Staat besonders viel Geld für die Unterstützungsleistungen für junge Familien bereitstellt. Gerade für junge Familien gibt es viele Herausforderungen, mit denen sie so nicht allein gelassen werden.

Die ersten Lebensjahre sind für die Entwicklung eines Menschen besonders wichtig. Was in diesen frühen Jahren nicht gefördert wird, kann in der Schule nur mit einem hohen Ressourcenaufwand wieder aufgeholt werden. Bildung, und somit Chancengleichheit, beginnt also schon in der frühkindlichen Bildung.

Damit wir allen Kindern schon in frühen Lebensjahren einen Anschub für ein gelingendes Leben geben, braucht es den Ausbau von Frühförderstellen sowie ein Gesetz für die frühkindliche Bildung, das die Finanzierung von Kitas und Kindertagespflege sowie einen verbesserten Kind-Fachkraft-Schlüssel beinhaltet. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass Alltagshelferinnen und -helfer für nichtpädagogische Aufgaben in der Kita eine wichtige Unterstützung sind und Mitarbeitende aus anderen Professionen für die Entwicklung der Kinder förderlich sind. Kinder, deren Elternhäuser dies nicht leisten können, erhalten nachhaltige Unterstützung bei der Sprachbildung. Daher muss der derzeitige Sozialindex so weiterentwickelt werden, dass es in Kitas, in denen besonders viel Unterstützungsbedarf besteht, mehr Personal gibt.

Eltern fragen sich, wie sie ihre Kinder bestmöglich fördern können, und suchen nach passenden Antworten. Deshalb wollen wir gute Familienbildung in Nordrhein-Westfalen weiter ausbauen.

Auch der bedarfsgerechte Ausbau der Kitas ist ein zentrales Element dafür, dass Kinder einen guten Start ins Leben haben. Das heißt, dass wir den Negativrekord der aktuellen Landesregierung auf den Kopf stellen wollen. Statt wie zuletzt nur 3.349 neue Plätze für Unterdreijährige durch die Landesregierung, werden wir für jedes Kind das passende Angebot schaffen. Dazu gehört es auch, die unterjährige Aufnahme von Kindern passend zum Ablauf von Elterngeld oder Elternzeit sicherzustellen. Das Wunsch- und Wahlrecht von Eltern bei der Wahl eines Betreuungsplatzes ist uns wichtig. Dafür muss die Trägervielfalt in Nordrhein-Westfalen weiterhin Bestand haben und gestärkt werden. Dieses Ziel werden wir im Dialog mit den Trägergruppen und den Kommunen weiterverfolgen. Es gilt: Jedes Kind braucht eine faire Chance. Diese Chance für jedes Kind ist es wert; darf aber niemals einen Preis haben. Für uns ist es selbstverständlich, dass Bildung nicht vom jeweiligen Geldbeutel oder vom jeweiligen Wohnort abhängen darf. Wir wollen, dass Eltern bei der Entscheidung, ob und wie lange sie einen Kita-Platz für ihr Kind in Anspruch nehmen, nicht als Erstes an die Gebühren denken müssen. Mit uns wird es eine umfängliche Gebührenfreiheit geben.

Nur wenn in den Kitas genug Personal zur Verfügung steht, können sie ihre wichtige Arbeit zur Zufriedenheit aller leisten. Deshalb stellen wir die Kita-Finanzierung neu auf. Statt Pauschalen für Belegungs- und Buchungszeiten statten wir Kitas durch eine auskömmliche Sockelfinanzierung so aus, dass sie keinen enormen bürokratischen Aufwand mehr haben, um Geld zu beantragen und abzurechnen. So bleibt mehr Zeit für jedes Kind.

Nötig ist ein Kita-Zukunftsgesetz für Nordrhein-Westfalen, das das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellt. Wir wollen eine Einrichtungsfinanzierung mit einem verbesserten Personalschlüssel, der sich an realen Öffnungszeiten orientiert, Erzieherinnen und Erzieher entlastet und die Betreuungsqualität deutlich verbessert. Dabei werden wir Kindertageseinrichtungen mit einem hohen Anteil von Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf zusätzlich fördern und damit den Ansatz der plusKitas weiterverfolgen. Um das Berufsbild der Erziehungsberufe weiter zu stärken, wollen wir im System mehr Aufstiegsmöglichkeiten schaffen. Dies kann über weitere Funktionsstellen, beispielsweise für Sprachförderung oder Kinderschutz geschehen. Um mehr Menschen für die Ausbildung als Erzieherin und Erzieher zu begeistern, werden wir die praxisorientierte Ausbildung ausbauen. Mehr pädagogisches Personal pro Gruppe ermöglicht eine bessere individuelle Förderung der Kinder und sorgt so für mehr Chancengleichheit und sozialen Aufstieg. Daneben brauchen wir Kita-Helferinnen und -Helfer und Kita-Kaufleute. Letztere entlasten die Leitung bei der administrativen. nicht pädagogischen Arbeit. Erstere knüpfen an die Alltagshelferinnen und Alltagshelfer an und unterstützen auf der einen Seite die Einrichtungen, auf der anderen Seite sind sie auch Sprungbrett für die Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft und damit eine gute Chance zur Überwindung des Fachkräftemangels.

Die Schuleingangsphase ist flexibel zu gestalten. Der Stichtag soll nicht mehr das einzige Kriterium für eine verfrühte oder insbesondere verspätete Einschulung sein. Eltern und Kinderärztinnen sowie Erzieher und ggf. Psychologinnen sollen mit ihren Beurteilungen ernst genommen werden und somit bei gegebenen Voraussetzungen auch eine spätere Einschulung möglich machen. Somit wird der Individualität Rechnung getragen.

Guter Ganztag bedeutet gute Bildung

Ab 2026 kommt der Rechtsanspruch auf einen Offenen Ganztagsschulplatz (OGS). Wir haben dafür gekämpft, weil dieser Rechtsanspruch wichtig ist für Familien. Er macht das Leben für Familien leichter, befördert die berufliche Entwicklung von Eltern und ist gut für das Lernen der Kinder. Eine große Aufgabe, die alle Mühe wert ist!

Dieser Anspruch muss vorbereitet werden. Schätzungen gehen davon aus, dass Nordrhein-Westfalen bis zu 200.000 zusätzliche OGS-Plätze inklusive Räume und Personal braucht. Außerdem müssen wir die Ausgestaltung des Ganztags diskutieren, und zwar in einem Dialogprozess mit den Kommunen, den Trägern, den Schulen, den Beschäftigten, den Eltern sowie natürlich den Schülerinnen und Schülern. In jedem Fall muss deutlich mehr Geld in den Ganztag investiert werden.

Fast alle Grundschulen in Nordrhein-Westfalen sind Offene Ganztagsschulen, aber OGS wird nicht überall als ganzheitliches Schulangebot betrachtet und gelebt. In vielen Köpfen und Einrichtungen gibt es nach wie vor eine Trennung zwischen Schule und OGS, die wir endlich aufheben müssen.

Der Ganztag muss verlässlicher werden. Zurzeit sind die Unterschiede von Schule zu Schule enorm, und das kann nur durch verbindliche Standards gelöst werden. Genau deshalb führen wir diese ein. Bis heute ist der Ganztag nicht klar als Bildungsangebot definiert. Das werden wir ändern. Wir schaffen ein Ganztagsgesetz mit Mindeststandards für die Qualität des Personals, der Räume, der Angebote wie auch des Mittagessens. Es muss selbstverständlich werden, dass der Ganztag im ganzen Land ein Bildungsangebot auf gleichem, hohem Niveau ist.

Schulen – und damit auch Ganztagsschulen – müssen gute Arbeitsplätze sein. Wir brauchen ein Fachkräftegebot, müssen dabei aber sicherstellen, dass das Bestandspersonal fortgebildet werden kann. Die Beschäftigten müssen gute, sichere und unbefristete Arbeitsverträge erhalten. Sie brauchen Arbeitsplätze in der Schule und Zeit zur Vor- und Nachbereitung sowie für Besprechungen. Diese Arbeitsplätze müssen auch als Vollzeitstellen möglich sein. Der Ganztag funktioniert dort am besten, wo es einen guten Wechsel zwischen Anstrengung und Entspannung, zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Konzentration und Zerstreuung gibt und wo Beschäftigte aller Professionen an einem Strang ziehen, weil sie sich als Team verstehen. Guter Ganztag wirkt über das Schulgebäude hinaus. Ideal ist die Zusammenarbeit mit Vereinen und Einrichtungen, zum Beispiel aus dem Sportbereich und der Kultur. Diese Ausrichtung werden wir fördern und zum Standard machen.

Die Interessen der Familien sind wichtig, denn es geht um ihre Kinder. Um für Familien eine Entlastung zu sein, muss der Ganztag in seinen Kernzeiten kostenfrei werden. Im weiteren Beratungsprozess müssen die Erwartungen der Eltern und Schülerinnen und Schüler an einen guten Ganztag eine zentrale Rolle spielen.

Wir wollen Schule, Ganztag und Familienzentrum zusammendenken und so Bildung, Erziehung und Betreuung miteinander verknüpfen.

Kinder schützen und stärken

Kinder haben unseren Schutz verdient. Deshalb sorgen wir für einheitliche Strukturen für den Kinderschutz. Jugendämter werden landesweit gleich ausgestattet sein. Die Zusammenarbeit zwischen Behörden wird einheitlich geregelt und der Kinderschutz wird fester Bestandteil bei Aus- und Fortbildungen in entsprechenden Berufsgruppen. Das ist ein großer Wurf für besseren Kinderschutz.

Wir wollen die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Kinderschutzes abbilden und uns dabei deutlich von einer Fokussierung allein auf die Jugendhilfe distanzieren. Dazu gehört auch die gemeinsame Entwicklung von Schutzkonzepten mit den Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen und Bildungsinstitutionen. Das wollen wir in einem Kinderschutzgesetz fortlaufend weiterentwickeln.

Freiräume und politische Mitbestimmung für Kinder und Jugendliche

Kindheit und Jugend sind für uns eigenständige Lebensphasen. Diese müssen folgerichtig auch eigenständige Politikbereiche haben. Deshalb entwickeln wir eine einmischende Kinder- und Jugendpolitik. Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, ihre Interessen einzubringen und an Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben für uns oberste Priorität.

Junge Menschen brauchen Freiräume. Sie benötigen freie Zeit, um selbstbestimmt Erfahrungen zu sammeln, sich eine eigene Meinung zu bilden und sich zu engagieren. Jugendliche und junge Erwachsene sind eben nicht nur Schülerinnen und Schüler, Azubis oder Studierende. Bildung findet auch außerhalb dieser institutionellen Kontexte statt. Die Kinder- und Jugendverbände, die Freie Wohlfahrt und die offene Kinder- und Jugendarbeit sind für uns wichtige Partner, wenn es darum geht, jungen Menschen diese Freiräume zu ermöglichen. Dies haben sie zuletzt eindrucksvoll in der Corona-Pandemie und bei der Arbeit mit jungen Geflüchteten unter Beweis gestellt.

Wir werden den Kinder- und Jugendförderplan in diesem Sinne weiterentwickeln und besser finanziell ausstatten. Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Augenhöhe zu begegnen, ist elementar für ihre positive Entwicklung. Altersgerechte Mitsprache und Teilhabe in allen Belangen und Bildungsinstitutionen stärkt ihren Selbstwert und ihre Resilienz. Gleichzeitig ist Kinder- und Jugendbeteiligung ein Weg, demokratische Teilhabe von Anfang an zu leben. Das gilt insbesondere auch für unsere Schulen. Wir werden deshalb in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam mit den Jugendverbänden eine Strategie für eine einmischende Kinder- und Jugendpolitik auf Landesebene verwirklichen und als Querschnittsaufgabe strukturell, krisenfest und verbindlich verankern. Dazu gehören für uns niedrigschwellige Beteiligungsformate sowie ein Kinder- und Jugendcheck in Gesetzgebungsverfahren. Wir wissen: Echte Partizipation funktioniert nur, wenn wir jungen Menschen auch Gestaltungsmacht geben.

Guter Start ins Leben für alle Kinder

Jedes Kind soll sein volles Potenzial entfalten können. Dabei darf Herkunft nicht länger über Zukunft entscheiden. Hürden, die aus den verschiedenen Ausgangssituationen von Kindern resultieren, räumen wir beiseite. Hier leisten Familienzentren hervorragende Arbeit. Familienzentren sind Orte, an denen Familien gebündelt Informationen und Angebote bereitgestellt bekommen. Sie fördern Kinder individuell und unterstützen Familien umfassend. Viele Kitas gehen hier schon mit gutem Beispiel voran. Wir wollen dieses Konzept an allen Grundschulen ermöglichen.

An diesen Grundschulen sollen Förder- und Hilfsangebote unter einem Dach vereint werden. Auch die Eltern sollen gut begleitet werden. Ein wichtiges Instrument dafür ist die Familienbildung, dazu gehören unter anderem niedrigschwellige Formate des Austauschs, Spielgruppen, Forschungsprojekte oder Familienfreizeiten. Zur Stärkung der Familienbildung im Sozialraum ist nicht nur eine sichere Förderung der Maßnahmen, sondern auch eine gute Verzahnung der Arbeit der einzelnen Träger und der Familienzentren notwendig. Das hilft auch Kommunen und Quartieren, die besonders stark von Bildungs- und Einkommensarmut betroffen sind: Kein Kind soll aufgrund des Wohnorts oder der finanziellen Situation der Eltern benachteiligt sein. Alle Kinder starten mit uns gut ins Leben.

Schülerinnen und Schüler können nur dort erfolgreich lernen, wo sie sich geborgen und sicher fühlen. Wir wollen, dass alle Schulen die Möglichkeit haben, ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und zu einem Abschluss zu führen. Wir brauchen eine Kultur des Auffangens und Behaltens. Jede Schule muss das Ziel haben, die aufgenommenen Kinder auch zu behalten. Wenn ein Kind die Schule verlassen muss – wenn es abgeschult wird –, hinterlässt das Narben auf der Seele. Wir brauchen eine neue Schulkultur, in der das einzelne Kind im Mittelpunkt steht. Wir wollen uns bei der Förderung nicht an den Defiziten orientieren. Wir müssen Stärken stärken und Schwächen schwächen. Die ausführliche Beschreibung von erworbenen Kompetenzen jenseits von Schulnoten, die an einigen Schulen in Nordrhein-Westfalen die Zeugnisse ergänzen, sind ein richtiger Beitrag, um eine fördernde Lernkultur zu schaffen.

Wir wollen jedes Kind mit seinen Talenten fördern und fordern. Deshalb werden wir kommunale Bildungslotsinnen und Bildungslotsen überall vor Ort einführen. Sie sollen dabei helfen, Schulabbrüche aktiv und frühzeitig zu verhindern. Vor allem aber sollen die Bildungslotsinnen und Bildungslotsen unseren Kindern und Jugendlichen helfen, ihren Kurs zu halten und zu ihrem selbst gesetzten Ziel zu finden: Mit uns wird künftig jedes Kind einen Anspruch auf ein Bildungslotsen-Angebot haben!

Wir nehmen die Herausforderungen an. Deshalb wollen wir Bildungseinrichtungen, die in besonders herausfordernden Lagen sind, besonders helfen. Dort, wo die Lern- und Lebenssituation der Kinder instabil ist, müssen Bildungseinrichtungen ein stabiler Lebensraum sein und bedürfen daher mehr personeller Unterstützung durch Fachkräfte und multiprofessionelle Teams (bestehend aus verschiedenen pädagogischen Fachkräften). Dafür braucht es deutlich mehr Geld. Wir wollen daher einen Sozialindex für unsere Bildungseinrichtungen einführen, der den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort und der Lebenswirklichkeit der Kinder entspricht. Wir schaffen gleiche Chancen für alle durch Schwerpunktsetzung, wo es sie braucht.

Für den schulischen Bereich werden wir 1.000 Schulen in besonders herausfordernden sozioökonomischen Lagen in einem ersten Schritt mit zusätzlichen personellen und sachlichen Mitteln ausstatten.

Ein gehaltvolles Mittagsessen für die gesundheitliche Entwicklung unserer Kinder sehr wichtig und darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Deshalb sollen Mittagsessen in den Bildungseinrichtungen nach Standard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gekocht werden. Für die Kinder, deren Eltern es sich nicht leisten können: kostenfrei. In einem ersten Schritt wollen wir hier die Bildungseinrichtungen an Standorten mit besonderen Herausforderungen berücksichtigen. Im Rahmen eines pädagogischen Konzepts und der eigenen Schwerpunktsetzung wollen wir diesen Kitas und Schulen die Möglichkeit geben, hier einen Schwerpunkt zu setzen.

Zur gesundheitlichen Entwicklung zählt aber natürlich noch viel mehr als nur das Mittagessen anzupassen. Um die Gesundheit von Beginn an zu fördern, wollen wir Schulgesundheitspflegerinnen und -pfleger an den Schulen einführen. Mit der perspektivischen Einsetzung wollen wir eine geregelte Gesundheitsversorgung und -förderung für Kinder, Jugendliche und das Schulpersonal an dem Lernort Schule anbieten.

Jedes Kind, das in eine Bibliothek geht, macht etwas richtig. Jedes Engagement im Verein stärkt Kinder. Deshalb brauchen Kinder Zugänge zu Vereinen und Bibliotheken, und zwar ohne finanzielle Hürden. Damit jedes Kind unabhängig von der finanziellen Ausgangslage Zugang zu Wissen erhält, sei es in Form eines Buchs oder auch digitaler Medien, wird jedes Kind einen kostenfreien Büchereiausweis bis zum Ende der Schulzeit erhalten.

Zu einer gerechten Welt gehört auch, dass wir Gesetze nicht nur daran messen, welche Bürokratiekosten durch sie entstehen, sondern auch, ob und in welcher Weise unsere Kinder davon betroffen sind. Die Auswirkungen von Gesetzgebungsvorhaben wollen wir daher zukünftig einer Bewertung unterziehen, inwieweit das Vorhaben sich auf Kinder und Jugendliche auswirkt.

Frühe Entscheidungen über Bildungskarrieren führen in die Irre. Schulen, die die Begegnung und den Austausch zwischen unterschiedlichen Milieus fördern und längeres gemeinsames Lernen ermöglichen sind hilfreich, den Bildungserfolg vom Status der Eltern abzukoppeln. Unsere Gesamtschulen haben in den letzten 50 Jahren Zusammenhalt gefördert und beeindruckende Erfolge für den Bildungsaufstieg und die Chancengleichheit in Nordrhein-Westfalen vorzuweisen. Wir wollen allen Schülerinnen und Schülern den sozialen Aufstieg über ein Abitur oder eine duale Ausbildung ermöglichen.

Mehr Personal für mehr Chancengleichheit

Unterricht ist gut, wenn er stattfindet. Deshalb machen wir Schluss mit dem Unterrichtsausfall! Dafür ist gutes und zufriedenes Personal das Fundament. Wir brauchen dringend mehr multiprofessionelle Teams in Form von: Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern, Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Pädagoginnen und Pädagogen, Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern sowie Therapeutinnen und Therapeuten. Diese können sich gegenseitig unterstützen und Kindern und Jugendlichen erweiterte Bildungschancen bieten. In diesem Zusammenhang muss die Schulsozialarbeit gesichert und verstetigt werden. Gutes Personal bekommt man nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dafür wollen wir Ungerechtigkeiten im System beseitigen und zeitgemäße Voraussetzungen schaffen: Frühkindliche Bildung wird mit uns aufgewertet werden, die praxisintegrierte Ausbildung, die Fort- und Weiterbildung wird verbessert und ausgebaut werden. Es sind neue Aufgabenfelder in Kita und Schule entstanden. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung für pädagogisches Personal muss den gesellschaftlichen Herausforderungen wie Vielfalt, Antidiskriminierung, Digitalisierung und Verbraucherschutz lebensnah Rechnung tragen. Insbesondere die Anerkennung von Berufserfahrungen für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger werden wir überarbeiten. Für das gesamte Personal bedarf es einer Chance auf einen beruflichen Aufstieg und einer guten Bezahlung.

Wir brauchen jetzt eine Personaloffensive. Diese muss gemeinschaftlich von den Berufskollegs und den Hochschulen gestaltet werden. Es gilt, alle Schulen entsprechend ihren Bedarfen mit engagiertem und qualifiziertem Personal für die zukünftigen Herausforderungen auszustatten. Dazu gehören auch beispielsweise die Werkstattlehrkräfte, die Expertise aus dem Handwerk mit pädagogischen Kompetenzen verbinden. Für die Zukunft wollen wir berufliche Kompetenzen und Abschlüsse bei der Anerkennung für den Lehrberuf stärker berücksichtigen. Alle Lehrkräfte müssen den gleichen Lohn beim Eingangsgehalt verdienen. Zudem werden wir die Studienplätze für Lehramt, Sonderpädagogik und Sozialpädagogik massiv ausbauen und die Zugangsvoraussetzungen sinnvoll anpassen, um mehr Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal ausbilden zu können.

Schulen, in denen Kinder keine Probleme sind

Wir wollen Schulen, in denen Kinder mit körperlichen, geistigen oder emotionalen Herausforderungen jederzeit willkommen sind. Nicht die Kinder und ihre Eltern sind das Problem, sondern die aktuellen Rahmenbedingungen. Genau deshalb wollen wir diese ändern. Eine gute Schule ist eine, die weder den Lehrkräften noch Kindern oder Eltern Probleme bereitet, sondern sie löst. Eines ist klar: Die UN-Behindertenrechtskonvention gilt. Das ist für uns unverhandelbar und das bedeutet, dass es der Auftrag der Politik ist, dafür zu sorgen, dass sie eingehalten werden kann.

Das Wichtigste dabei ist, sich jetzt zu kümmern und die Familien und Lehrkräfte zu unterstützen. Inklusion soll Teil jeder Schule sein. Dafür schaffen wir die passenden Voraussetzungen.

Wir wollen daher an jeder Schule in Nordrhein-Westfalen ein pädagogisches Zentrum mit Expertinnen und Experten einrichten. Dabei ist uns wichtig, dass diese Zentren keine Parallelstruktur werden. Hier der Lehrbetrieb und da das pädagogische Zentrum. Stattdessen wollen wir eine inklusiv arbeitende Schule mit einem gemeinsamen Kollegium aus verschiedenen Professionen. Ein pädagogisches Zentrum bündelt die pädagogische und sonderpädagogische Expertise zu Unterricht und inklusiver Schulentwicklung. Es unterstützt die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer, die Fachlehrerinnen und Fachlehrer und die unterrichtenden Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen und steht zur schulinternen Beratung zur Verfügung. Es koordiniert die Zusammenarbeit mit Externen von der Schulpsychologie über Therapeutinnen und Therapeuten bis zur Jugendhilfe. Hier gibt es zusätzliche Angebote und Auszeitangebote in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe, auch für Schülerinnen und Schüler, die in Konflikte geraten oder Verhaltensprobleme bearbeiten müssen.

Zusätzlich soll es zukünftig eine Art „Schnelle Unterstützungsgruppe“ in jedem Schulbezirk geben, die bei akuten Herausforderungen mit Rat und verbindlicher Hilfestellung den Familien und Schulen zur Seite steht. Das bedeutet eine echte Entlastung für Eltern und Lehrkräfte.

Wir wollen mit den Lehrerinnen und Lehrern, den anderen pädagogischen Fachkräften, den Eltern, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aber auch Ärztinnen und Ärzten und Therapeutinnen und Therapeuten in Ruhe und vor allem mit Bedacht diese Unterstützungssysteme gemeinsam entwickeln und die Inklusion in unseren Schulen ordentlich weiterentwickeln.

Schulen auf der Höhe der Zeit

Wir werden unser Bildungssystem so weiterentwickeln, dass es den Anforderungen einer veränderten und digitalisierten Lebens- und Berufswelt gerecht wird. Dabei werden wir genau prüfen, was sich bewährt hat und was wir verbessern müssen. Wichtig ist, dass Bildungsinhalte und zu erwerbende Kompetenzen allen Schülerinnen und Schülern auch in Zukunft gesellschaftliche Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Dafür werden wir eine Bildungskommission mit Expertinnen und Experten einrichten.

Die Bildungskommission wird sich neben den Bildungsinhalten auch mit der Bildungsfinanzierung befassen. Wir brauchen mehr Geld für bessere und wirkungsvollere Bildungsangebote und ein verbindlicheres Zusammenwirken aller Beteiligten vor Ort. Die gegenwärtigen Zuständigkeiten sind weder für Familien noch für Schulen durchschaubar und Strukturen sind so angelegt, dass sie Prozesse eher lähmen als Lösungen auf akute Probleme bereitstellen. Das werden wir anpacken und das Finanzierungsgeflecht entwirren. Eine klare und verbindlich geregelte Finanzierung der staatlichen Bildungsaufgaben zwischen Land und Kommunen muss auskömmlich sein für die notwendige Qualität des Angebots, die sächliche Ausstattung in den Schulen, den Gebäudeunterhalt und für Investitionen in den Schulneubau. Damit das gleichermaßen in finanzstarken wie finanzschwachen Kommunen gelingt, greifen wir finanziell mit unserem Sonderprogramm „Schulneubau und Schulsanierung“ dort unter die Arme, wo es gebraucht wird.

So zielgerichtet, wie wir bei der Schulsanierung helfen, wollen wir es auch bei einzelnen Kindern tun. Mit einer Potenzialanalyse werden wir die Begabungen und Talente der Kinder einschätzen, um die Kinder gezielt in ihren Stärken anzusprechen.

Auch die Digitalisierung im Kita- und Schulwesen muss vorangetrieben werden. Wir brauchen mehr Geld für eine bessere Infrastruktur und Ausstattung. Diese digitale Infrastruktur muss von IT-Expertinnen und Experten verwaltet und gepflegt werden. Das entlastet die Lehrkräfte, die sich darauf konzentrieren können, den Kindern die nötige Medienkompetenz zu vermitteln, damit sie zu mündigen Mediennutzerinnen und Mediennutzern werden, indem sie reflektiert, kreativ und verantwortungsvoll digitale Medien nutzen. Weil Medienkompetenz uns besonders wichtig ist, werden wir das Budget für Fortbildungen pro Lehrkraft anheben. Daneben müssen wir die Digitalkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den Blick nehmen und in allen Schulformen die Grundlagen der Informationstechnologie unterrichten.

Wir wollen uns dafür einsetzen, dass unsere Bildungsinstitutionen diskriminierungsfrei werden. Dafür wollen wir Schutzstrukturen für betroffene Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte etablieren.

Berufliche Bildung früher in den Blick nehmen

Schulen auf der Höhe der Zeit müssen auch Übergänge in eine akademische und handwerkliche Berufslaufbahn gleichermaßen ermöglichen und früh vorbereiten. Wir brauchen zum Beispiel gute Ingenieure, die nachhaltige Energien planen und gute Handwerker, die diese in die Tat umsetzen.

Hierfür müssen alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I gute strukturelle Voraussetzungen haben, um eine duale Ausbildung mit ihrem jeweiligen Abschluss antreten zu können. Insbesondere mit dem Haupt- und dem Realschulabschluss soll auch eine gute berufliche Lebensplanung möglich sein. Diese Abschlüsse müssen wieder mehr wert sein und wertgeschätzt werden.

Damit alle einen Abschluss bekommen, werden wir – wie im Kapitel Arbeit und Wirtschaft ausgeführt – das Erfolgsprogramm „KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss“ stärken, ausbauen und eine Ausbildungsplatzgarantie in Nordrhein-Westfalen einführen. Zudem werden wir an allen Schulformen praktische Unterrichtsinhalte in der Sekundarstufe I erhöhen und die starken Angebote der Berufsorientierung an den Berufskollegs bereits in die Sekundarstufe I ziehen. Hierzu werden wir, orientiert an der individuellen Ausgangslage der Schülerinnen und Schüler, Möglichkeiten des Langzeitpraktikums stärken und ausbauen. Hiermit spannen wir ein Sprungtuch, damit niemand ohne Anschluss die Schule verlässt.

Wir wollen alle jungen Menschen in eine Arbeitswelt bringen – sei sie handwerklich oder akademisch ausgerichtet – die sie mit einer hohen Berufszufriedenheit ausfüllt.

Für uns bedeutet schulische Bildung das Lernen für das Leben, damit jeder die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und zufriedenes (Berufs-)Leben erlangen kann.

Akademische Bildung und Wissenschaft

Wissenschaft und Forschung sind entscheidend, um den künftigen Herausforderungen für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft erfolgreich begegnen zu können und die Zukunft unseres Landes souverän zu gestalten. Wir benötigen eine starke Grundlagenforschung, um den Wissensspeicher mit neuen Ideen und Technologien zu füllen. Von gleicher Bedeutung ist die angewandte Forschung, die die Brücke schlägt, um wissenschaftliche Erkenntnisse in Wirtschaft und Gesellschaft nutzen zu können. Unsere Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) in der dichtesten Hochschul- und Forschungslandschaft Europas werden wir als Herz des Wissenschaftssystems stärken. Neben einer Fokussierung auf unsere Hochschulen werden wir auch die Ansiedlung weiterer außeruniversitärer Forschungsinstitute offensiv fördern und begleiten. Ihre Zusammenarbeit mit den Hochschulen werden wir unterstützen. Wir werden erstklassige Bedingungen für Forschung schaffen, um im nationalen und internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen zu können. Die anwendungsorientierte Forschung wollen wir stärken, unter anderem, indem wir die Lehrverpflichtung an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften reduzieren, das Promotionskolleg NRW verlässlich unterstützen und die Mittel für Forschung an den HAWs gemeinsam mit dem Bund steigern. Auch das Potenzial der anwendungsnahen Forschungseinrichtungen der Forschungsgemeinschaft des Landes, der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft werden wir heben, indem wir die Förderung des Landes aufstocken und die Institute von Bürokratie entlasten. Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in all ihren Dimensionen sind dabei Qualitätsmerkmale und Wettbewerbsfaktoren im Wissenschaftssystem.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Karrierewege für unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden. Wir bekennen uns dazu, dass Daueraufgaben auch Dauerstellen brauchen: Unsere Forschenden und Lehrenden sollen sich keine Sorgen machen müssen, ob sie im kommenden Semester noch eine Arbeitsstelle haben. Darum wollen wir die Entfristung von promoviertem wissenschaftlichem Personal zur Regel machen. Wir werden uns für eine verlässliche Grundfinanzierung der Hochschulen sowie für neue und dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten unterhalb der Professur einsetzen. Die schwierige Situation von Promovierenden ist uns bewusst. Wir wollen dafür sorgen, dass sich die Arbeitsverträge von Promovierenden an der tatsächlich zu erwartenden Promotionszeit orientieren, und dass 100 Prozent Arbeit auch zu 100 Prozent entlohnt wird. Wir wollen außerdem dafür sorgen, dass studentische Hilfskräfte an Universitäten grundsätzlich dem Tarifvertrag der Länder unterliegen und sie unbefristete Arbeitsverträge erhalten, wenn sie für Daueraufgaben eingesetzt werden. Zur Verbesserung der studentischen Arbeitsbedingungen gehört auch die Abschaffung der Optionalisierung von SHK-Räten als einzige studentische Personalvertretung und stattdessen deren verpflichtende Einführung.

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, was an den Hochschulen und im Wissenschaftssystem falsch läuft. Viele Studierende haben seit Beginn ihres Studiums noch nie eine Hochschule, eine Mensa oder die Bibliothek von innen gesehen, geschweige denn ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen außerhalb von Videokonferenzen. Digitale Lehre, psychische Belastungen und fehlender Ausgleich waren und sind auch nach zwei Jahren Pandemie Alltag an den Hochschulen. Dabei soll das Studium für Studierende zu den glücklichsten Phasen ihres Lebens gehören. Neues Wissen wird erworben, man feiert, erkundet die Welt, politisiert und qualifiziert sich. Alles das trägt dazu bei, den eigenen Horizont zu erweitern und Netzwerke zu knüpfen. Dieses Glück soll nicht an Organisations- oder Finanzierungsfragen scheitern.

Wir wollen deshalb die Studierendenwerke so finanzieren, dass diese ihre Aufgabe sachgerecht durchführen können und Semesterbeiträge gesenkt werden können. Eine auskömmliche Finanzierung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die Studierendenwerke ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und die nötige Infrastruktur eines sozialen Campus schaffen können. Die Stärkung von Angeboten der preisgünstigen Hochschulgastronomie, der Kinderbetreuung und der psychosozialen Fürsorge für Studierende steht dabei für uns im Fokus. Weniger finanzielle Sorgen bringen mehr Bildungserfolg und machen die Hochschule für alle jungen Menschen leichter zugänglich. Mit dem Semesterbeitrag allein ist es nicht getan. Die finanziellen Belastungen von Studierenden entstehen nämlich nicht allein durch die Semesterbeiträge. Insbesondere die Kosten für notwendige (digitale) Ausstattung und die steigenden Lebenshaltungskosten in den Universitätsstädten führen zu wachsenden finanziellen Unsicherheiten bei Studierenden. Wer heute in einer Unistadt leben will, braucht auch bezahlbaren Wohnraum. Deshalb investieren wir als Land in den Neubau und die Sanierung von Studierendenwohnanlagen. Am Mietmarkt soll die Bildung nicht scheitern. Das BaföG muss ein Studium ohne wirtschaftliche Existenzsorgen ermöglichen und genau deshalb hat die SPD dies mit den Koalitionspartnern im Bund für die kommende Legislaturperiode verhandelt.

Die Hochschulen zu öffnen für alle jungen Menschen, auch wenn die Eltern wenig Geld haben, ist unser Ziel. Dafür setzen wir an allen bekannten Problemen an und lösen sie. Dabei steht für uns die Garantie eines gebührenfreien Studiums an erster Stelle. Neben materieller Unterstützung in Sachen Studienfinanzierung und Wohnen wollen wir dabei auch die ideelle Förderung an den Hochschulen hinsichtlich der Bedürfnisse insbesondere von Erstakademikerinnen, Studienanfängern mit Migrationsgeschichte und Frauen in den Blick nehmen. Zur Wissenschaft gehört aber auch, zu wissen, dass man noch nicht alles weiß. Wir wollen soziale Ungerechtigkeiten an den Hochschulen und in der Gesellschaft überwinden und deshalb investieren wir in Forschung, die uns die Augen öffnet. Beim Thema soziale Gerechtigkeit an Hochschulen ist noch viel zu tun: Drei von vier Professuren in Deutschland sind mit Männern besetzt, in den Spitzenpositionen wie dem Vorsitz einer Forschungsgesellschaft, sind sogar nur 8,1 Prozent weiblich. Um Frauen zu fördern, wollen wir ein eigenes Landesprogramm zur Stärkung junger Akademikerinnen in der Wissenschaft und an Hochschulen einführen. Mit Blick auf das Sozialprofil der Wissenselite wird klar, auch hier gibt es noch viel zu tun: Zwei von drei Spitzenpositionen sind in Familien aufgewachsen, die zu den obersten 3,5 Prozent der Gesellschaft gehören. Deshalb müssen wir auch verstärkt Faktoren wie Klassismus und Rassismus in der Wissenschaft in den Blick nehmen und uns erneut fragen, wer forscht und lehrt eigentlich an unseren Hochschulen und Einrichtungen? Wir setzen uns dafür ein, dass Wissenschaft von sozialer Herkunft entkoppelt wird und nicht Privileg einiger weniger ist. Dazu wollen wir auch einen interdisziplinären Forschungsverbund zu Aspekten der sozialen Ungleichheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt gründen.

Die Hochschulen werden besser, wenn sie gemeinsam gestaltet werden. Deshalb stehen wir für das Modell der demokratischen Hochschule und führen die Viertelparität in allen Hochschulgremien ein. Alle vier Statusgruppen (Professorinnen und Professoren, Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Technik und Verwaltung sowie Studierende) sollen zu gleichen Teilen in den Hochschulgremien vertreten sein.

Die Studierendenschaft an deutschen Hochschulen ist divers und vielfältig. Studierende befinden sich in unterschiedlichen Lebensmodellen und -situationen. Das Studium sollte daher selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestaltet werden können. Anwesenheitspflichten und eine Höchststudiendauer lehnen wir ab, da sie die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Studierenden verkennen und einen erfolgreichen Studienabschluss erschweren. Insbesondere Studierende mit Kind, pflegende und chronisch kranke Studierende benötigen daher flexible Optionen der Studiengestaltung und angemessene Unterstützungssysteme. Dies betrifft unter anderem die auskömmliche digitale Ausstattung der Infrastruktur, die Entbürokratisierung und Entlastung durch vollständig digitalisierte Administrationen sowie die nachhaltige Förderung von Daten getriebener Forschung sowie deren Forschungsdaten in allen Disziplinen – von Altertumskunde bis Zoologie. Wir wollen zudem die Entwicklung nachhaltiger Lehr- und Lernkonzepte zur Stärkung der „digital literacy“ sowohl der Studierenden als auch der Beschäftigen in Forschung und Lehre sowie Technik und Verwaltung fördern. Auf diese Weise unterstützen wir die Aus- und Weiterbildung (digital) selbstbestimmter Mitbürgerinnen und Mitbürger und machen sie stark für gesellschaftliche Umbrüche und die Herausforderungen eines von digitaler Transformation geprägten Arbeitsmarktes.

Den Entwicklungs- und Bildungsfreiraum eines Studiums angesichts der immensen Erwartungen des Arbeitsmarktes bezüglich Flexibilität, Mobilität und Qualifikation freizuhalten – das stellt alle Beteiligten im Hochschulwesen vor enorme Herausforderungen. Durch eine möglichst frühe Zertifizierung der vielen sozialen, fachlichen, methodischen und digitalen Kompetenzen, die im Laufe eines Studiums erworben werden, wollen wir diesen Freiraum stärken, um faire Übergänge in andere Aus- und Weiterbildungsformen zu schaffen – etwa im Falle eines Studienfachwechsels oder Abbruchs. Wir werden Hochschulen dabei unterstützen, solche Angebote einzurichten und über den Europäischen bzw. den Deutschen Qualifikationsrahmen abzusichern.

Alle, für die wir die Hochschulen weiter öffnen, sollen gute Arbeits- und Studienorte vorfinden. Deshalb werden wir die Hochschulgebäude sanieren und energetisch modernisieren, barrierefrei bauen oder umbauen. Dass wir gleichzeitig im Seminarraum mit Studierenden die Auswirkungen des Klimawandels wissenschaftlich betrachten und dabei das Fenster undicht ist, darf nicht so bleiben.

Wir wollen nicht nur sanieren, sondern auch einen qualitativen Zugewinn für unsere Hochschulen erzielen. Lehre verändert sich, es wird interdisziplinärer gearbeitet und mehr Praxisbezüge werden hergestellt. Das begrüßen wir und erkennen daraus auch neue räumliche Notwendigkeiten. Deshalb wollen wir die Weiterentwicklung der Campus an den Hochschulen dauerhaft fördern. Eine qualitativ hochwertige und funktionierende bauliche Infrastruktur der Hochschulen und deren Integration in das Stadtbild, die Stadtinfrastruktur und die übergeordnete Verkehrsinfrastruktur sind für die Städte von morgen essenziell. Diese komplexe Aufgabe wollen wir exemplarisch mit ganzheitlichen Handlungskonzepten und neuen Finanzierungswegen angehen. Der Campus soll urbaner Lern-, Arbeits- und Lebensort werden. Diese pulsierenden Herzen des Hochschullebens und der Städte müssen dazu aber infrastrukturell ertüchtigt werden.

Hochschulen sind jedoch nicht nur Lern-, Arbeits- und Lebensorte, sondern auch Impulsgeber und Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung, der Identität sowie des strukturellen Wandels von Städten und Regionen. Nordrhein-Westfalen ist mit seinen zahlreichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen der dichteste Wissenschaftsraum Europas. Hochschulkooperationen wie zum Beispiel die Universitätsallianz Ruhr geben Ballungsräumen Innovationskraft und sind unersetzlich für ihre Entwicklung zu einer Wissensregion. Solche Kooperationen von Hochschulen, aber auch die enge Vernetzung mit Städten und Regionen werden wir weiter unterstützen.

Wir werden uns für die Neugründung eines Nationalen Bildungsrats einsetzen. Dieser soll als dauerhaftes Gremium mit Akteurinnen und Akteuren aus Praxis und Wissenschaft, regelmäßig und unabhängig von der Kultusministerkonferenz, an gemeinsamen Zielen und Maßnahmen für das deutsche Bildungssystem arbeiten und diese auch veröffentlichen.