Demokratie von Grund auf stärken

Kapitel 3.3

Demokratie muss man jeden Tag verteidigen. Sie ist keine Selbstverständlichkeit – auch wenn sie sich zum Glück in unserem Alltag oft so anfühlt. Wir wollen ein Land, das sich um seine Demokratinnen und Demokraten bemüht, das Demokratie vermittelt und dazu erzieht. Wir stehen für das demokratische Nordrhein-Westfalen.

Wir stärken die Politische Bildung

Zentrales Instrument zur Stärkung der Demokratie ist die politische Bildung. Sie muss in der Kita beginnen, in allen Schulformen fortgesetzt und fester Bestandteil der Weiterbildung sein. Der hohe Anteil fachfremd erteilten Politikunterrichts muss reduziert werden. Wir werden daher auch das Fach Sozialwissenschaften in bewährter Form wieder einführen. Auch im außerschulischen Bereich muss die politische Bildung für alle gestärkt werden. Dazu wollen wir die Landeszentrale für politische Bildung als eigenständige Einrichtung besser ausstatten. Die Förderrichtlinien wollen wir anpassen, damit bereits Projekte mit Teilnehmenden ab 14 Jahren unterstützt werden können. Den jährlichen Demokratiebericht für Nordrhein-Westfalen werden wir fortschreiben. Wir werden Initiativen zur politischen Partizipation von Menschen mit Behinderung stärken und Informationsmedien in leichter Sprache fördern.

Politische Bildung findet in Nordrhein-Westfalen auf vielfältige Weise statt. Demokratische Bildungsorte wollen wir noch stärker in ihrer Arbeit unterstützen und miteinander vernetzen. Die wichtige Arbeit der Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen werden wir weiter fördern und den Ausbau der Gedenkstätte des Kriegsgefangenenlagers ‚Stalag 326‘ unterstützen. Wir werden die Grundlage schaffen, dass junge Menschen bis zum Eintritt in ihr Berufsleben zumindest einmal eine Gedenkstätte oder einen Erinnerungsort besucht haben. In dem Zusammenhang wollen wir auch die internationale Jugendarbeit, besonders die Austausche mit Israel, sowie die Präventionsarbeit mit jungen Menschen, zielgruppenspezifisch, stärken.

Wir gehen konsequent gegen Rechtsextremismus vor

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie zum Beispiel Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus sowie rechte Gewalt sind eine zunehmende Bedrohung für das gute Zusammenleben der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Rechtsradikale versuchen immer stärker, Hass als demokratisch legitimierte politische Position zu tarnen.

Wir stellen uns jeder Form von Rechtsradikalismus entgegen! Jegliche Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Kräften schließen wir aus und wir werden auch stets klar benennen, wenn andere Parteien mit diesen zusammenarbeiten. Eine Verharmlosung des Rechtsextremismus durch Verweise und Vergleiche mit anderen Extremismusformen lehnen wir ab. Antifaschistische Arbeit in Politik und Zivilgesellschaft hat für uns einen hohen Stellenwert. Wir stehen Schulter an Schulter mit all jenen, die sich für unsere Demokratie engagieren. Hierzu unterstützen wir die SPD auf Bundesebene bei der Loslösung dieses Engagements aus der Projektlogik, hin zu einer langfristigen Unterstützung mithilfe eines Demokratiefördergesetzes. Die zukünftige Förderung muss zudem auf Tarifsteigerungen reagieren.

Die Forschung zum Thema Rechtsextremismus und zur Prävention gegen Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen werden wir durch Unterstützung bei ihrer Vernetzung und durch ihren Ausbau stärken.

Auch die Arbeit im Bereich der Beratung und Aufklärung, der Engagierten gegen den Hass im Netz, der Opferberatungen und der staatlichen wie insbesondere nicht staatlichen Hilfen für Ausstiegswillige werden wir weiter unterstützen und dort, wo es nötig ist, ausbauen.  Bereits die letzte SPD geführte Landesregierung brachte das „integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“ auf den Weg. An diesem wollen wir anknüpfen, die Evaluierung auswerten und das Konzept gegebenenfalls erweitern. Das kommunale Förderprogramm „NRWeltoffen“ wollen wir im Rahmen eines Landesdemokratiefördergesetzes von einem Förderprogramm zu einer dauerhaft finanzierbaren Aufgabe machen und gleichzeitig ausweiten.

Die im SPD „Masterplan gegen Rechtsextremismus“ benannten Punkte werden wir umgehend umsetzen und, soweit Gesetzesänderungen erforderlich sind, diese auf den Weg bringen. Hierzu gehören unter anderem, dass Polizei-, Sicherheits- und Justizbehörden für rechtsextreme Einstellungen und Taten stärker sensibilisiert werden müssen, und dass ein Lagebild Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung erstellt werden muss, das jährlich dezidiert Auskunft darüber gibt, wie Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Abstammung und Religion Opfer von Gewalttaten, rassistischen Angriffen und Unterdrückung werden. Zudem muss dieses Lagebild auch Auskunft über Einstellungen in der Gesellschaft zu Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung geben, um bereits frühzeitige Warnsignale wahrnehmen und reagieren zu können. Weiter gehört dazu, dass die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer gleichermaßen über alle Schulformen hinweg gestärkt werden, um allen Schülerinnen und Schülern die gleiche Ausgangsbasis für die gesellschaftliche Teilhabe in einer Demokratie zu ermöglichen.

Wir modernisieren und stärken die Politische Beteiligung

Politische Beteiligung ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Demokratie. Der Schlüssel zur politischen Teilhabe ist das Wahlrecht. Wir streben eine umfassende Reform des Wahlrechts und Wahlsystems in Nordrhein-Westfalen an, so dass der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl erfüllt, die Wahlbeteiligung erhöht und die Größe des Landtages angemessen begrenzt wird. Wir wollen das aktive Wahlrecht für Landtagswahlen auf 16 Jahre herabsenken und das kommunale Wahlrecht auch auf Ausländer und Ausländerinnen aus Nicht-EU-Staaten erweitern. Schließlich treten wir weiterhin für eine gleichberechtigte Besetzung von Parlamenten durch ein verfassungskonformes Paritätsgesetz ein.

Damit Kinder- und Jugendliche gut vorbereitet und mündig ihre Wahlentscheidung schon mit 16 Jahren treffen können, machen wir die Beteiligung von Kindern- und Jugendlichen in den Kommunen zur Pflicht. Dabei legen wir uns keine feste Form der Beteiligung fest, sondern ermuntern zum Erproben vielfältiger Formen und Verfahren der Kinder- und Jugendbeteiligung im ganzen Land.

Darüber hinaus wollen wir die parlamentarischen und direktdemokratischen Verfahren durch beratende Formen der Bürgerbeteiligung, wie zum Beispiel Bürgerräte, ergänzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Auf Landesebene werden wir Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen einsetzen und hierdurch der sozial ungleichen Teilhabe an politischen Prozessen entgegenwirken, indem möglichst viele Interessen frühzeitig eingebunden werden, die sonst keine Berücksichtigung finden.  Die Erfahrungen mit Bürgerräten sollen mittelfristig in ein Bürgerbeteiligungsgesetz einfließen. Zudem werden wir auf kommunalen Ebene Verfahren prüfen, die den gemeinsamen Austausch und das kollektive Abwägen konkreter Entscheidungsprobleme beinhalten. Außerdem wollen wir Kommunen dabei unterstützen, sich Regelungen für ihre Bürgerbeteiligungsverfahren (zum Beispiel Bürgerbeteiligungssatzungen) zu geben. So wird für die Menschen in den Städten und Gemeinden transparent, wie sie sich außerhalb von Wahlen einbringen können. Gleichzeitig wird der kommunalen Selbstverwaltung Rechnung getragen.

Die Rahmenbedingungen für das kommunale politische Ehrenamt werden wir verbessern, zum Beispiel durch familienfreundliche Sitzungszeiten oder digitale Sitzungen. Wir wirken außerdem darauf hin, Aufsichtsgremien und Vorstände von öffentlich-rechtlichen Unternehmen paritätisch zu besetzen. Die Attraktivität des kommunalpolitischen Ehrenamtes soll in Zusammenarbeit mit den kommunalpolitischen Vereinigungen erhöht und Rahmenbedingungen angepasst werden, um bisher unterrepräsentierte gesellschaftliche Gruppen für die Kommunalpolitik zu gewinnen.

Wir stärken die Transparenz der politischen Willensbildung durch ein Lobbyregister und einen legislativen Fußabdruck.

Insbesondere bei jungen Menschen ist uns, neben der politischen Bildung, die politische Beteiligung besonders wichtig. Daher erkennen wir die Interessensvertretung von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden als das Sprachrohr ihrer Gruppe an und möchten ihr die Möglichkeit zusprechen, die Schülerinnen-, Schüler- und Studierendenperspektiven in allen Politikbereichen präsent zu machen. Mit diesem allgemeinpolitischen Mandat stärken wir die politische Partizipation von jungen Menschen und binden sie vermehrt in Entscheidungsprozesse ein.

Wir stärken das ehrenamtliche Engagement

Ein weiteres Fundament unserer offenen demokratischen Gesellschaft bildet das ehrenamtliche Engagement. Rund sechs Millionen Menschen in unserem Land engagieren sich ehrenamtlich – in Vereinen, der Pflege, für Geflüchtete, in Gemeinden, in Initiativen, den Hilfswerken, der Feuerwehr. Ein unverzichtbarer Beitrag, damit unser Miteinander gelingt und NRW lebens- und liebenswert bleibt. Auch in der Corona-Pandemie und bei der Flutkatastrophe zeigten die Menschen in unserem Land, dass sie sich gegenseitig helfen und unterstützen. Deshalb werden wir die Ehrenamtlichen in Nordrhein-Westfalen mit ihren rund 120.000 Vereinen und Organisationen strukturell stärken. Wir wollen mehr junge Menschen für das Ehrenamt begeistern. Eine besondere Herausforderung wird dabei in den kommenden Jahren die durch die Corona-Pandemie weggebrochene ehrenamtliche Struktur darstellen, die wir gemeinsam mit den Kommunen reaktivieren werden. Hierzu werden wir ein Landesprogramm sowie auch kommunale Programme zur Demokratieförderung aufbauen. Die Engagementstrategie, inklusive der Kleinstförderung, werden wir weiterentwickeln und fortschreiben. Wir wollen gemeinsam mit dem Bund Haftungsrisiken reduzieren. Insbesondere in strukturschwachen Regionen wollen wir bürgerschaftliches Engagement auch mit Hilfe der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt stärken.