Sozialer Zusammenhalt durch sozialen Ausgleich

Kapitel 4.4

Die Herstellung gleicher Lebenssituationen und Lebensbedingungen sowie insbesondere die Verbesserung der Chancen sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen ist der Antrieb für die Politik der Sozialdemokratie.

Die Unterschiede bei den Chancen für Menschen wollen wir beseitigen und beginnen dabei bei der Unterstützung der Kinder sowie der Menschen in besonders herausfordernden Lebenssituationen und sichern soziale Teilhabe für alle.

Ehrenamt

Die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und den freien Trägern der sozialen Unterstützung für alle Lebenslagen halten wir für einen wesentlichen Baustein unseres Sozialstaates. Sie sind eine Stütze des Sozial- und Gesundheitswesens. Die Hilfsdienste unterstützen im Gesundheits-, Sanitäts- und Bevölkerungsschutz. Insbesondere die ehrenamtlich engagierten Menschen tragen mit ihrem Einsatz wesentlich dazu bei, unsere Gesellschaft zu erhalten und verdienen unsere Wertschätzung.

Wir werden Menschen jeden Alters das Recht auf einen Freiwilligendienst einräumen. Wir werden das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) sowie das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) angemessen mit einer Landesförderung unterstützen und die Fördersätze auf das Niveau des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) anheben. Um Menschen, die einen Freiwilligendienst absolvieren, noch stärker die Wertschätzung der Gesellschaft zu zeigen, werden wir die kostenlose Nutzung aller Verkehrsmittel im ÖPNV in Nordrhein-Westfalen ermöglichen.

Armut

Wir kämpfen aktiv gegen Armut und Ausgrenzung. Wir fördern die Teilhabe des Einzelnen, unabhängig von Einkommen. Wir bieten gleiche Lebenschancen für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung oder des Glaubens. Das Erkennen von strukturellen Benachteiligungen durch Sozialberichterstattung ist Grundlage für die zielgerichtete Bekämpfung von Armut und zur Förderung von benachteiligten Quartieren und Stadtteilen.

Wir unterstützen die Einführung der bundesweiten Kindergrundsicherung, damit Kinder nicht in Armut aufwachsen. Die Unterstützung aller Kinder durch allgemeine Lernmittelfreiheit setzen wir fort. Ebenso unterstützen wir die angemessene Erhöhung der Grundsicherung für Erwachsene.

Um Armut und Ausgrenzung zu verhindern, unterstützen wir die Beratungsangebote der Schuldnerberatung und des Verbraucherschutzes.

Wir werden die Arbeitslosenzentren und Erwerblosenberatungsstellen weiter fördern und ihre Arbeit stärken.

Housing first

Wir unterstützen das Konzept „housing first“ zur unmittelbaren Bekämpfung von Wohnungslosigkeit.

Alle Menschen haben ein Recht auf eine eigene Wohnung, in der man selbst wählen darf, welcher Unterstützung man bedarf. Wohnraum wird nicht an Bedingungen der Annahme von Hilfsangeboten geknüpft. Beratung und Unterstützung ist an die Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse zu orientieren und ihre Wahlfreiheit wird berücksichtigt.

Einsamkeit

In den Zeiten der sozialen Distanzierung, nicht zuletzt durch die Pandemie ist Entfremdung, Einsamkeit und Isolation zu einem breiten Phänomen geworden. Soziale Beziehungen spielen für die psychische und physische Gesundheit eine große Rolle.

Wir fördern daher unterschiedliche Möglichkeiten der Begegnung für alle Lebenssituationen. Isolation und Einsamkeit sind Querschnittsaufgaben der Landesregierung und werden auf der zuständigen Ebene von Staatssekretärinnen und Staatssekretären koordiniert.

Erhaltung des Lebensumfeldes im Alter

Die demografische Entwicklung und die Entwicklung der Zahl der pflegebedürftigen Menschen erfordern konkrete Aktivitäten und Maßnahmen, damit auch in dieser Lebensphase die Teilhabe am Leben gesichert und der Zugang zu allen Angeboten und Dienstleistungen im jeweiligen Lebensraum möglich ist. Das Alten- und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen sieht deswegen ausdrücklich die Förderung der Entstehung, Entwicklung und Qualität von Dienstleistungen vor. Bisher fehlt es an
jedweder Konkretisierung, welche Strukturen und Angebote im Lebensraum unverzichtbar sind und wie diese erhalten bzw. entwickelt und dazu auch gefördert werden können. Wir werden zur Klärung und Konkretisierung ein Forschungsprojekt vergeben und nach dessen Ergebnis konkrete Maßnahmen zur weiteren Förderung entwickeln.

Die demografische Alterung ist eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft in Nordrhein-Westfalen. Die Lebensphase Alter ist vielfältig und bedarf einer differenzierten Herangehensweise: Von der Frage älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über gesellschaftspolitische Teilhabe älterer Menschen bis zum Thema Pflege Hochbetagter. Wir betrachten Alter nicht nur aus der Perspektive der Risiken, sondern ebenso aus der Perspektive der Chancen und Potenziale. Die Bekämpfung der sich ausweitenden Altersarmut ist eine zentrale Aufgabe. Zur Gestaltung der demografischen Alterung ist die Stärkung der Alternsforschung in Nordrhein-Westfalen unerlässlich. Insbesondere werden wir die Kommunen dabei unterstützen, die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern. Kommunale Vertretungen von Seniorinnen und Senioren sowie Teilhabe- und Lernmöglichkeiten älterer Menschen werden wir weiter stärken. Dabei ist die Generationensolidarität elementar für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.

Langfristige Finanzierung der Demenz- und Wohnberatungsstellen

Demenz- und Wohnberatung sind unabdingbar, damit pflegebedürftige oder von Pflegebedürftigkeit bedrohte Menschen so lange wie möglich im vertrauten eigenen Wohnumfeld leben können. Wir werden die langfristige Finanzierung dieser Beratung sicherstellen.

Ausbau der Kurzzeit- und Tagespflege

Wir werden den Ausbau der Kurzzeit- und Tagespflegeplätze vorantreiben und dabei prüfen, ob eine verbesserte Investitionskostenförderung dabei wirksam ist. Für die Weiterentwicklung der Tagespflege streben wir ein Programm zur Erhaltung und Verbesserung der Selbstbestimmungs- und Teilhabefähigkeit der Teilnehmenden und dafür eine gesonderte Förderung an.

In Wohneinrichtungen werden wir selbstbestimmte Teilhabe durch das Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) etablieren.

Beratung, Unterstützung und Begleitung

Pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie chronisch kranke Menschen beklagen mangelnde Transparenz und fehlende Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen des Sozialgesetzbuches, der Begleitung bei der Ausführung von Leistungen und bei der Durchsetzung ihrer Rechte, obwohl in den Sozialgesetzbüchern eine Vielzahl von Auskunfts- und Beratungsmöglichkeiten geregelt sind und darüber hinaus eine große Zahl weiterer Beratungs- und  Unterstützungsangebote durch Nichtregierungsorganisationen vorgehalten werden. Oftmals finden sich die Schnittstellen des gegliederten Systems auch in den Beratungsstrukturen wieder. Es mangelt danach nicht an gesetzlichen Regelungen, offensichtlich aber an Vernetzung und individueller Begleitung. Wir werden die Diskrepanz zwischen vorhandenen Strukturen bzw. rechtlichen Grundlagen und dem tatsächlichen Unterstützungsbedarf wissenschaftlich untersuchen lassen und auf dieser Grundlage geeignete Maßnahmen zu einer besseren Vernetzung der Strukturen und individueller Unterstützung der Betroffenen ergreifen.

Menschen mit Behinderung nutzen Assistenz- und Betreuungskräfte. Deren Qualifikation ist nicht definiert. Wir werden Angebote der Qualifizierung für Assistenz- und Betreuungskräfte einführen.

Wir wirken darauf hin, dass chronisch kranke Menschen in Nordrhein-Westfalen stärker unterstützt werden. Hierzu sollen Möglichkeiten geschaffen werden, die eine langfristige Verbesserung der Lebensumstände der Betroffenen bewirken. Ziel muss es sein, in die Forschung der verschiedenen Krankheitsverläufe zu investieren und die persönliche Situation der chronisch Kranken zu verbessern.

Inklusion

Wir stärken die Inklusion von Anfang an und ermöglichen individuelle Teilhabe auch für Menschen, die im Laufe ihres Lebens Behinderungen erwerben oder erkranken. Teilhabe am Arbeitsleben und am gesellschaftlichen Leben unterstützen wir für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen. Die Beratung und Beschäftigung von Menschen, die im Laufe ihres Arbeitslebens eine Behinderung erworben haben, werden wir fördern.

Dazu unterstützen wir die medizinische Rehabilitation und schließen die Lücken bei der Versorgung von Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen. Die Weiterentwicklung von ambulanten und stationären Versorgungsformen zu eigenverantwortlichem Leben und der Teilhabe am Arbeitsmarkt treiben wir voran. Die guten Erfahrungen mit Coaching und Gesundheitsberatung zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen setzen wir fort.

Die Unterstützung für die LAG (Landesarbeitsgemeinschaft) Selbsthilfe NRW wollen wir weiter ausbauen und auch die Arbeit des Landesbehindertenrats stärken.

Drogen

Die vom Bund geplante Freigabe von Cannabis begleiten wir mit einem flächendeckenden Präventions- und Jugendschutzprogramm.

Die Beratung von Suchtgefährdeten und deren Angehörigen sichern wir ab. Der Unterstützung von Familien und Kindern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Frauen

Die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern wir aktiv. Wir wirken gezielt auf einen Ausgleich von Benachteiligungen hin.

Die psychosoziale Beratung für Frauen werden wir langfristig sichern und barrierefrei ausbauen, ebenso wie Frauenberatung, Frauenhäuser, Mädchenberatung, Beratung für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel.

Schwangerschaftskonfliktberatung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsfürsorge für Frauen.

Gynäkologische Praxen müssen einen barrierefreien Zugang erhalten, überall.