Eine bessere und zukunftsfeste Gesundheits- und Pflegeversorgung

Kapitel 2.3

Gesundheit ist Voraussetzung für Wohlbefinden. Nur, wer weiß, dass man im Krankheitsfall gut versorgt ist, kann frei leben. Deshalb ist Gesundheit einer unserer politischen Schwerpunkte. Wir stehen für die Freiheit von Sorge und Angst. Wir wollen Gewissheit für alle Menschen, dass sie die bestmögliche gesundheitliche Versorgung erhalten.

Dienstleistungen, Produktion und Forschung für Gesundheit sind aber auch zu einem maßgeblichen Faktor für Beschäftigung und Wirtschaftskraft in Nordrhein-Westfalen herangewachsen. Wir wollen konkrete Projekte in den Regionen unterstützen und damit dazu beitragen, dass die Kompetenzen Nordrhein-Westfalens in der Gesundheitsversorgung, -technik und -forschung auch über die Grenzen des Landes hinaus wahrgenommen, genutzt und dadurch weiter gestärkt werden.

Wir betrachten Gesundheit nicht nur im Lichte der aktuellen Corona-Krise, sondern weit darüber hinaus. Wir wollen eine Gesundheitspolitik, die immer überzeugt: Im Katastrophenfall genauso wie im Alltag. Dafür treten wir an.

Außerdem treten wir für die Stärkung der personellen, finanziellen und digitalen Ausstattung der kommunalen Gesundheitsämter ein.

Wir stellen sicher, dass Menschen, die krank werden, chronisch erkrankt sind oder eine Behinderung haben, gut versorgt sind. Wir können dafür sorgen, dass die Angehörigen Zeit für ihre erkrankten Lieben haben, anstatt herumzutelefonieren, um einen Platz im Krankenhaus oder einen Termin beim Facharzt zu bekommen. Und wir können dafür sorgen, dass das Gesundheitswesen ein Arbeitsplatz mit hoher Arbeitszufriedenheit wird. Das alles können wir tun und deshalb werden wir es tun.

Zukunftsfähige Krankenhäuser

Beginnen wir mit den Krankenhäusern. Sie sind doch mehr als Gebäude, in denen medizinische Versorgung organisiert wird. Sie sind gleichzeitig Arbeitgeber, Wirtschaftsfaktor und Garant dafür, dass schnell geholfen werden kann, wenn Hilfe gebraucht wird. Genau deshalb – weil Krankenhäuser wichtig für die Gesellschaft sind – werden wir landesweit alle Krankenhausstandorte erhalten, manche möglicherweise mit verändertem Versorgungsauftrag. Mit Schließungen soll endlich Schluss sein.

Sie können einem kranken Menschen nicht erklären, dass es für sie oder ihn kein Krankenhaus in der Nähe gibt, weil Krankenhausstandorte allein an Faktoren wie Bevölkerungsdichte und demografischer Struktur bemessen wurden. Wer krank ist, braucht ein Krankenhaus vor Ort. Eines, das so nah ist, dass ein lieber Freund mit Blumenstrauß leicht zu Besuch kommen kann. Das Land berücksichtigt bei der Krankenhausplanung, dass wohnortnah eine kinderchirurgische Grundversorgung für (Klein)Kinder gegeben sein muss.

Das zu organisieren ist möglich.

Dafür müssen wir den ambulanten und stationären Sektor neu ordnen. Das heißt, dass wir politisch dafür sorgen, dass ambulante Versorgungsangebote und bestehende Krankenhäuser enger zusammenarbeiten. Heute trennt man diese Angebote allein aus bürokratischen, aber nicht aus medizinischen Gründen. Wir verstehen unseren Auftrag so, dass wir solche bürokratischen Unsinnigkeiten zu verändern haben. Wir lösen daher die künstlichen Grenzen von ambulant und stationär, von gesetzlicher Krankenversicherung und gesetzlicher Pflegeversicherung auf. Zusammenarbeit statt Zuständigkeitsabgrenzung. So entsteht mehr Wirtschaftlichkeit ohne neuen Druck auf die Beschäftigten.

Die Verzahnung der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung benötigt entsprechende organisatorische Strukturen. Hierfür werden wir die Möglichkeiten von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Integrierten sektorenübergreifenden Gesundheitszentren (ISGZ), also die Verknüpfung der ambulanten und der stationären Versorgung, besonders in den Fokus nehmen. Bei Planungsgesprächen mit Investoren und möglichen Trägern vor Ort setzen wir uns für eine stärkere Einbindung der Kommune bzw. der städtischen Beteiligungsorganisationen in die Umsetzung ein.

Die unwirtschaftlichen Strukturen der Krankenhausfinanzierung müssen reformiert werden. Weil ein solcher Prozess langwierig ist, gehen wir in zwei Schritten vor. Wir ändern schnell im bestehenden System die finanziellen Rahmenbedingungen und sorgen für Entlastung und arbeiten parallel an einem neuen Vergütungssystem gemeinsam mit dem Bund.

Wichtig ist uns dabei, dass wir aus der Corona-Pandemie die richtigen Schlüsse ziehen. Wir brauchen eine gute Finanzierung für den Alltag und müssen Reserven anlegen und Vorbereitungen für medizinische Krisenfälle treffen. Im besten Falle brauchen wir sie nie, aber wenn wir sie brauchen, ist getroffene Vorsorge besser, als überrumpelt zu werden.

Nie wieder sollen medizinische Masken und Spritzen ausgehen! Wir schaffen gesicherte Lieferketten und eine abgestimmte Lagerhaltung für krisenrelevante Produkte wie zum Beispiel persönliche Schutzausrüstung, Testkits und Desinfektionsmittel. Gesundheit ist so wichtig, dass uns das Lagerhaltungskosten wert ist.

Neue Kosten werfen immer die Frage auf, wo eingespart werden soll. Für uns ist klar, dass dies nicht bei den Beschäftigten, nicht bei der Qualität, nicht bei den Standorten passieren darf. Stattdessen machen wir uns dran, Bürokratie und übermäßige Regulierung abzubauen. Dass das geht und im Zweifelsfall notwendig ist, haben wir doch nun schon monatelang erlebt. Heute impfen auch Apothekerinnen und Apotheker und andere Professionen. Dass sie es lange nicht durften, war eine unsinnige Regulierung, von denen es sehr viele gibt. Genau diese systematisch zu identifizieren und abzubauen, ist unser Auftrag in den kommenden Regierungsjahren.

Das alles hilft aber nur wenig, wenn jeder Gewinn aus weniger Bürokratie von privaten Klinikbetreibern aus dem System genommen wird. Wir wollen guten Gesundheitsschutz vor Ort finanzieren und deshalb werden wir die Gewinnentnahme für private Klinikbetreiber, Klinikgesellschaften und Klinikkonzerne regulieren. Man darf mit Gesundheit Geld verdienen, aber unser Gesundheitssystem darf nicht für den persönlichen Vorteil auf Verschließ gefahren werden. Wer diesen Markt nach unserer Regulierung nicht mehr lukrativ genug findet, kann sich darauf verlassen: Wir scheuen uns nicht, Kliniken wieder in kommunale Trägerschaft zu übernehmen.

Wir wollen, dass der Kostendruck sinkt und sind deshalb bereit, mehr in Gesundheit zu investieren. Im Gegenzug wollen wir aber auch, dass der Druck auf die Beschäftigten im Gesundheitswesen merklich sinkt. Dienstleistungen, die in Krankenhäusern anfallen und nicht zu den eigentlichen Gesundheitsdienstleistungen gehören – wie zum Beispiel die Reinigung, die Küche, die Logistik, die Wäsche – wollen wir nicht länger in Tochtergesellschaften ausgliedern lassen. Tarifflucht und Dumpingtarifverträge in diesen Bereichen sind unsozial, unwürdig und gesamtwirtschaftlich nicht nachhaltig. Deshalb lautet unser Versprechen: Mehr Geld für Gesundheit und mehr Lebensqualität für die Beschäftigen.

Neben den Krankenhäusern leisten auch die Rehakliniken einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in unserem Land. Zusätzlich sind sie wichtige Standortfaktoren in einigen Regionen unseres Landes. Wir werden die Rehakliniken auch bei zukünftigen Gesundheitsplanungen in NRW unterstützen.

Gesundheit für Alle in ganz Nordrhein-Westfalen

Wir wollen in allen Landesteilen einen guten und wohnortnahen Zugang zu medizinischer Versorgung und gute vorsorgende Angebote, damit Menschen weniger oft krank werden. Dazu stehen wir in Nordrhein-Westfalen vor zwei Herausforderungen: Wir müssen uns besonders um die Versorgung in ländlichen Bereichen und um die Versorgung in den Stadtteilen kümmern, in denen Menschen mit geringem Einkommen leben. Nach der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe werden wir bis zum Jahr 2030 – also in 8 Jahren – rund 1.165 Hausärztinnen und Hausärzte weniger haben als heute.

Wir wollen mehr Hausärztinnen und Hausärzte für die ländlichen Bereiche Nordrhein-Westfalens und für die Stadtteile, in denen wenig Privatversicherte zu erwarten sind, finden. Dazu werden wir Anreizsysteme schaffen – durch Studienstipendien, Praxiskredite und mehr Studienplätze für Medizin. Unser Ziel bleibt, dass der erste Anlaufpunkt im Gesundheitssystem die Hausärztin bzw. der Hausarzt ist. Auch bei Fachärztinnen und Fachärzten und besonders Kinderärztinnen und Kinderärzten gehen wir neue Wege, um engagierte Frauen und Männer für diese Aufgabe zu gewinnen.

Medizinische und rehabilitative Versorgung und Pflege sind eine Teamleistung; in der Berufspraxis müssen die Beteiligten Hand in Hand arbeiten. Auf diese gemeinsame Zusammenarbeit bereitet das jetzige Ausbildungssystem zu wenig vor. Pflegerinnen, Therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte kommen häufig erst im Berufsalltag, aber nicht in Ausbildung und Studium miteinander in Kontakt. Wir setzen uns für mehr interdisziplinäre Ausbildungsanteile ein, um die Basis für die gemeinsame Zusammenarbeit zu verbreitern.

Der Fachkräftemangel in der Pflege und den therapeutischen Gesundheitsfachberufen wird durch mangelnde Bildungs- und Aufstiegsperspektiven mitverursacht. Wir schaffen in Nordrhein-Westfalen auch für diese Berufe die Rahmenbedingungen, um von der Ausbildung bis zur Promotion in den entsprechenden Berufsfeldern gelangen zu können. Hiermit einher geht die Förderung von Forschung in den Therapieberufen und der Pflege auch auf universitärem Niveau.

Der Einsatz von Hebammen muss flächendeckend sichergestellt werden. Hebammen erfüllen eine zentrale Rolle für werdende Mütter und Familien. Man muss sich in Nordrhein-Westfalen darauf verlassen können, dass die Geburt eines Kindes gut begleitet wird. Den Bedarf an Hebammen werden wir mit zusätzlichen Studienplätzen entsprechen.

Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und stellen die Versorgungssicherheit bei Schwangerschaftsabbrüchen her. Sie sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern treten wir wirksam entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher, die zukünftig auch online möglich sein soll. Wir unterstützen die Initiativen auf Bundesebene zur Streichung des §219a, damit Ärztinnen und Ärzte öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen.

Gleiches gilt für die zahnärztliche Versorgung. Es braucht sie flächendeckend und verlässlich im ganzen Land. Sie gehört zu den grundlegenden, notwendigen medizinischen Versorgungsangeboten in der Fläche. Die wohnortnahe ausgerichtete Patienten-Zahnarzt-Beziehung ist für die Zahngesundheit der Bürgerinnen und Bürger wichtiger Bestandteil der Versorgung. Das erklärt sich ganz leicht: Man sollte regelmäßig zur zahnärztlichen Kontrolle gehen. Je länger man es aufschiebt, desto schlimmer wird es. Neue Praxen müssen barrierefrei sein. Der Ausbau einer barrierefreien Versorgung mit Zahnärztinnen und Zahnärzten ist ein wichtiger Baustein in der allgemeinen Versorgung. Je weniger Praxen, je weiter die Strecken zum Zahnarzt oder zur Zahnärztin werden, desto größer wird die Barriere diese Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Es ist also auch ökonomisch sinnvoll, lieber in die breite Prävention, statt in teure Zahnbehandlungen zu investieren, die hätten vermieden werden können.

Wir werden die derzeitigen Lücken bei der medizinischen Versorgung, sei es ambulant oder stationär, bei psychischen, neurologischen und orthopädischen Erkrankungen schließen.

Neben der Versorgung mit Krankenhäusern, Haus- und Fachärztinnen und -ärzten wollen wir das Wissen der Menschen über ihren Körper und ihre Gesundheit vermehren. Wir wollen präventive Angebote, die sehr niedrigschwellig sind und es allen Menschen ermöglicht, mehr auf sich und die eigene Gesundheit zu achten. Wir wissen, dass es Lebenssituationen und Lebensumstände gibt, die es schwer machen, sich ausreichend um sich selbst zu kümmern. Wir wollen verschiedene Wege ausprobieren, um dies zu ändern.

Wir setzen Gesundheitslotsen ein, die Betroffenen und Angehörigen bei Fragen der Gesundheitsförderung und -prävention begleiten. Gesundheitslotsinnen und -lotsen können Betroffene und Angehörige auch bei Fragen der häuslichen, stationären und sozialen Versorgung beraten und begleiten. Die Krankenkassen können eine aktive Rolle bei den Gesundheitslotsen spielen. Diese Lotsinnen und Lotsen wollen wir mit Landesmitteln fördern.

Wir wollen in Ballungsräumen barrierefreie „Gesundheits-Kioske“ einrichten und damit in den Stadtteilen sicherstellen, dass es ein leicht zugängliches und barrierefreies Angebot vor Ort gibt, bei dem Menschen in Fragen von Gesundheitsförderung, Krankheit und Pflege Informationen und Unterstützung bekommen. Dazu gibt es bereits Projekte der AOK, die wir landesweit ausbauen wollen. Ziel muss es sein, Menschen in einer persönlichen gesundheitlichen Notsituation mit oder ohne Krankenversicherung zu helfen. Die Gesundheits-Kioske sollen ein vertrauensvoller und akzeptierter Anlaufpunkt im Stadtteil werden. Dazu ist es wichtig, Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und Sprachkenntnissen für die Arbeit vor Ort zu gewinnen. Die Gesundheits-Kioske können auch wichtige Aufklärungsarbeit übernehmen: zur Krebsvorsorge, zur Ernährung und für Angebote aus dem Bereich Sport. Hier können viele Angebote, die es bereits in einer Stadt gibt, gebündelt vorgestellt werden.

Um Doppelstrukturen in den Kommunen zu vermeiden, können diese Aufgaben auch an bereits bestehende und etablierte Beratungsangebote vor Ort angedockt werden.

Wir fühlen uns dem „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ verpflichtet und unterstützen die personelle Stärkung und verbesserte digitale Ausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Die seelische Gesundheit eines jeden Menschen ist neben der körperlichen Unversehrtheit das höchste Gut. Die seelische Gesundheit ist für jeden einzelnen Menschen wichtig sowie für die gesamte Gesellschaft. Unsere Lebenswirklichkeit wird sich weiter verändern. Wir müssen an unserer Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit arbeiten. Psychische Erkrankungen, wie Depression, sowie Suizid und Einsamkeit dürfen keine Tabuthemen bleiben. Wir müssen gerade junge Menschen aufklären und sensibilisieren. Wir müssen die psychischen Erkrankungen wie Depression enttabuisieren. Wir werden entsprechende Präventionsmaßnahmen entwickeln und die Anzahl an ambulanten Therapieplätzen und Klinikplätzen auch im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Bereich erhöhen. Wir werden Beratungs- und Therapieangebote schaffen, die niedrigschwellig sind und die kurzfristig zu erreichen sind. Damit ein Mensch in Not, der Hilfe benötigt, nicht monatelang auf einen Termin bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten warten muss. Besonders Kinder und Jugendliche haben unter der Pandemie gelitten. Die Zahl der Kinder, die an Depressionen leiden, ist nochmal gestiegen. Durch den Ausbau von schulpsychologischen Angeboten wollen wir den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, Lockdown-Erfahrungen zu verarbeiten.

Wir halten die Versorgungsverpflichtung bei psychischer Erkrankung vor der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme für erforderlich. Dazu stärken wir die gemeindepsychiatrischen Verbünde, wo sie bestehen und unterstützen ihren Aufbau landesweit zum Aufbau kooperativer leistungserbringerübergreifender Strukturen zur wohnortnahen Versorgung. Diese sollen die Unterstützung unter Berücksichtigung von Selbstbestimmung und Zwangsvermeidung in Kooperation sicherstellen.

Apotheken sind in vielen Regionen ebenfalls erste Anlaufstellen, wenn Menschen sich krank fühlen. Wir setzen uns dafür ein, dass es öffentliche, inhabergeführte Apotheken gibt, die den gesetzlichen Auftrag zur flächendeckenden barrierefreien Arzneimittelversorgung gut leisten können. Apothekerinnen und Apotheker leisten in vielen Situationen einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit ihrer Kundinnen und Kunden in der ambulanten Versorgung.

Für Familien wollen wir in den von uns neu geschaffenen Familienzentren an den Schulen Angebote zur gesundheitlichen Prävention anbieten: Gesunde Ernährung, Sportangebote, Angebote zur Förderung der Zahngesundheit und die Begleitung durch Hebammen. All das trägt zu besserer Gesundheitsvorsorge bei und senkt damit mittel- und langfristig die Gesundheitskosten insgesamt. Ein Zugewinn an Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger sowie eine Entlastung für das Gesundheitssystem.

Pflege der Zukunft: Neue Konzepte für große Herausforderungen

In Nordrhein-Westfalen werden aktuell 965.000 Menschen gepflegt. Drei Viertel von ihnen erhalten liebevolle Pflege durch ihre Angehörigen zuhause. Eine Leistung der Angehörigen, die unseren Respekt verdient, die aber nicht überfordern darf. Wir wissen, dass der Bedarf an Pflege in den kommenden Jahren wegen der Alterung unserer Gesellschaft weiter ansteigen wird. Wir wissen auch, dass es der Wunsch der meisten Menschen ist, im eigenen Zuhause möglichst lange leben zu können. Damit das möglich ist, stellen wir jetzt die Weichen:

Unser Ziel ist es, die pflegenden Angehörigen zu entlasten. Das gilt insbesondere für den Personenkreis der vollzeitarbeitenden pflegenden Angehörigen, zum Beispiel durch Streichung des Beitragszuschlags für Kinderlose, wenn sie Angehörige pflegen. Dazu wollen wir umfassende und ganzheitliche Beratungsangebote schaffen. Wir wollen die bisherigen Pflegestützpunkte zu Pflegekompetenzzentren weiterentwickeln und in ihnen alles Wissen über gesundheitliche Leistungen, finanzielle mögliche Leistungen und Pflegeangebote bündeln. Betroffene und Angehörige sollen hier bestmöglich beraten werden, um stationäre Aufenthalte zu vermeiden.

Wir wollen Pflegestützpunkte einrichten, die eine medizinische und pflegerische Grundversorgung bieten. In diesen Pflegestützpunkten sollen neue, fachübergreifende Beratungsangebote eingerichtet werden. Dort sollen speziell ausgebildete Lotsen mit Betroffenen und Angehörigen persönliche Unterstützungskonzepte entwickeln, die den langfristigen Erhalt der Lebensqualität zum Ziel hat. Das umfasst die Gesundheitsversorgung ebenso wie den pflegerischen Unterstützungsbedarf und die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe in der näheren Umgebung. So wollen wir gewährleisten, dass Menschen mit Unterstützungsbedarf möglichst lange selbstbestimmt und zufrieden im eigenen Zuhause leben können. Gleichzeitig werden die Angehörigen so entlastet, weil sie auf verlässliche Strukturen mit festen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vertrauen können. Wenn stationäre Pflege nötig wird, muss sie am vertrauten Ort, erreichbar für Angehörige und Bekannte, möglich sein. Wir setzen uns daher für wohnortnahe Pflegeplatzversorgung ein.

Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern pflegen, so genannte „Young Carer“ brauchen besonders gezielte Beratung, Unterstützung und Information. Es gilt hier ein niedrigschwelliges, gut erreichbares Hilfsangebot zu etablieren.

Wir wollen ein Projekt aus unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz übernehmen und speziell und fachübergreifend ausgebildete Fachkräfte als „Gemeindeschwestern“ einsetzen. Die Fachkraft soll die Menschen nach vorheriger Anmeldung zuhause besuchen und individuell beraten. Das neue Angebot soll Beratung zur hauswirtschaftlichen und gesundheitlichen Versorgung, zur Wohnsituation, Möglichkeiten der Mobilität und Pflege von Kontakten umfassen. Dazu soll aber auch die Vermittlung gut erreichbarer Teilhabeangebote wie Seniorentreffen, Veranstaltungen und Bewegungskurse gehören. Wo solche Angebote weniger stark vorhanden sind, sollen die Fachkräfte diese auch anregen. Das schafft einen weiteren Baustein für die Entwicklung gesundheits- und selbstständigkeitsfördernder Angebote in den Kommunen.

Weil in den kommenden Jahren mehr Menschen pflegebedürftig werden, die keine eigenen Kinder oder andere familiäre Unterstützung am Wohnort haben, wollen wir alternative Wohnformen für Menschen mit Unterstützungsbedarf besonders fördern. Dazu gehören beispielsweise Senioren- und Pflege-Wohngemeinschaften, die nicht nur ein Angebot für ältere Menschen, sondern auch für jüngere Menschen (zum Beispiel mit Behinderung oder Pflegebedarf) haben müssen.

Wir wollen, dass auch Menschen mit Unterstützungsbedarf von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren können. Dazu wollen wir die Entwicklung unterstützender digitaler Instrumente fördern, die speziell Seniorinnen und Senioren sowie pflegebedürftigen Menschen dienen und ihren Alltag erleichtern.

Digitalisierung in Pflegeheimen heißt zum Beispiel das Zusammenwirken von Pflegepatientin bzw. Pflegepatient, qualifizierter Pflegekraft im Heim und Arzt ohne Notwendigkeit von Transporten und des damit verbundenen Verlassens der vertrauten Umgebung. Als Nebeneffekt wertet es die Tätigkeit der Pflegekräfte deutlich auf.

Wichtig für uns ist: Menschen sollen so selbstbestimmt wie möglich und so umsorgt wie nötig alt werden können – mit einer flächendeckenden Pflegestruktur.

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind für uns die Arbeitsverhältnisse, in denen gepflegt wird, von großer Wichtigkeit. Wir sehen, dass diejenigen, die in der Pflege ausgebildet sind und arbeiten, häufig die Ausbildung abbrechen oder im Durchschnitt nach sechs Jahren aus dem Beruf aussteigen. Daraus ziehen wir folgende Konsequenzen:

Wir wollen die Arbeitsbelastungen in den pflegenden Berufen reduzieren, um mehr Menschen für diese wichtige Arbeit zu gewinnen. Dazu gehören kürzere, verlässliche und damit familienfreundlichere Arbeitszeiten und eine angemessene Entlohnung, bessere Aufstiegschancen und Möglichkeiten zur Weiterbildung.

Zudem wollen wir, dass Pflegende feste Plätze in den Krisenstäben auf kommunaler- und Landesebene haben, um dieser Perspektive mehr Gehör zu verschaffen. Wir wollen mit Pflegekräften in den intensiven und regelmäßigen Austausch gehen, um zu erfahren, wo der Schuh drückt. Und wir wollen diese Druckstellen dann angehen, es dürfen keine tiefen Druckgeschwüre werden.

Wir wollen Menschen, die aus den pflegenden Berufen ausgestiegen sind, zurückgewinnen. Durch Programme, die nachqualifizieren und den Wiedereinstieg erleichtern.

Eine Pflegekammer gegen den Willen der Beschäftigten, eine Zwangsmitgliedschaft, wird es mit uns nicht geben. Pflege- und Betreuungskräfte aus dem Ausland, vorwiegend aus Osteuropa, sind zu einer wichtigen Säule der häuslichen Versorgung geworden und wir begrüßen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Entlohnung dieser Menschen. Wir wollen deren Arbeitsbedingungen verbessern, klare Regeln für Arbeits- und Ruhezeiten und so einen rechtlichen Rahmen für Beschäftigung in der häuslichen Pflege schaffen.

Der größte Pflegedienst in Deutschland ist die Familie. Pflegende Angehörige sind eine entscheidende Stütze bei der häuslichen Pflege. Zeiten der Pflege müssen in der Berechnung der Rente berücksichtigt werden und wir müssen organisieren, dass die Angehörigen in ihren Berufen nicht abgehängt werden und Pflege, Familie und Beruf vereinbaren können und später nicht ausgebrannt und selbst krank werden.

Neben der Klärung materieller Fragen ist es wichtig, Netzwerke über die Pflegestützpunkte zu organisieren und die Angehörigen mit allem wichtigen Wissen zu unterstützen und Wege zu weiterer Hilfe zu vereinfachen. Wo immer es möglich ist, schaffen wir bürokratische Hindernisse ab. Das Angebot der Tagespflege halten wir für ein wichtiges Instrument, um pflegende Angehörige zu entlasten. Daher wollen wir ein Landesprogramm zur Förderung von Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeplätze in den Einrichtungen schaffen, um flächendeckend und wohnortnah Entlastungsangebote zu schaffen. Darüber hinaus wollen wir den Ausbau von Pflegehotels unterstützen, damit Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auch gemeinsam verreisen können. Außerdem setzen wir uns für die Ausweitung des Modellprojekts der AWO Westliches Westfalen ein, die mit ihrer Kurberatung pflegenden Angehörigen Kuren analog zum System der Mutter-Kind-Kuren anbietet.

Die Digitalisierung kann und muss auch in der Pflege genutzt werden. Die Technik erleichtert – wenn man sie beherrscht – das selbständige Leben in der eigenen Wohnung und die Kontaktaufnahme, wenn man Hilfe benötigt oder auch „nur“ einen kleinen Plausch mit Freunden oder Familie halten möchte. Hier sollten wir alle Möglichkeiten nutzen – über Anwenderschulungen, Umrüstungen in den Wohnungen und die Digitalisierung der Pflegezentren, Pflegedienste und alle weiteren geplanten Angebote.

Investitionskosten fallen neben den Eigenanteilen in der stationären Pflege an und sind ein großer und vor allem steigender Kostenfaktor für Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner. Wir setzen uns für eine öffentliche Förderung der Einrichtungen ein, um die Investitionskosten zu mindern und Pflegeheimbewohnende so finanziell zu entlasten. Gleichzeitig machen wir uns im Bund für eine Deckelung der Eigenanteile stark.